Hommage an den französischen Tanz

George Balanchines „Joyaux“ an der Pariser Oper

Paris, 25/10/2009

Trotz aller Emanzipation von der russischen Tradition mit ihren prächtigen Kostümen, trotz aller „black and white ballets“ im Trikot war auch George Balanchine zeitweilig vom Schmuck fasziniert: wie an jenem Morgen in New York, wo er auf dem Weg zur Arbeit wie jeden Tag an einem luxuriösen Juweliergeschäft vorbeiging und plötzlich so gebannt vor einem Schaufenster verweilte, dass er von den Sicherheitskräften des Ladens zur Befragung hineingebeten wurde. Aus der daraus resultierenden Begegnung mit dem Besitzer entstand der Plan zur Ausstattung von „Jewels“, Balanchines zweitem Ballett zum Thema Juwelen (nach „Palais de Cristal“ aus dem Jahr 1947), das 1967 im New York City Ballet uraufgeführt wurde.

Das Ballett der Pariser Oper zeigt das Stück in einer leicht erweiterten Version in opulenten Kostümen von Christian Lacroix. Der Abend beginnt mit „Emeraudes“: tiefgrüne Tüllröcke und samtene Korsagen erinnern an die romantische Tradition der Pariser Opéra. In dieser Hommage an den französischen Tanz zur Musik von Gabriel Fauré legt Balanchine besonderen Wert auf flüssige Armbewegungen und präzise Beinarbeit. Leider wird sie nicht immer mit der Hingabe und Grazie getanzt, durch die Solistinnen wie Violette Verdy die erweiterte Version mit ihren langen Variationen gewiss zu einem endlosen Genuss machten. Von den heutigen Solisten gelingt es nur Laetitia Pujol und Mathieu Ganio sowie Alessio Carbone im Pas de Trois, die Längen vor allem gegen Ende des Stückes vergessen zu machen.

Umso lebhafter und brillanter hingegen waren die Solisten in „Rubis“, dem zweiten, dem amerikanischen Tanz gewidmeten Teil zur Musik von Igor Strawinsky. Die Anklänge an Musical und Variété, wenn Tänzerinnen wie Revue-Pferdchen über die Bühne hüpfen, und die ganze kunstvolle Künstlichkeit des Stückes können leicht vulgär wirken, wenn es nicht mit einer gewissen Selbstironie getanzt wird, die beim etwas lustlos wirkenden Pariser Corps de ballet nicht immer zu spüren ist. Dafür aber umso mehr bei den Solisten: Aurélie Dupont amüsiert sich offenbar glänzend auf der Bühne und reiht eine halsbrecherische Pirouettenserie an die nächste. Auch der sehr junge Mathias Heymann scheint vor Energie beinahe zu zerspringen, wenn er auch nicht einwandfrei zur viel erfahreneren Dupont passt und seine Interpretation noch etwas Reifungszeit braucht. Die hervorragende Marie-Agnès Gillot nimmt sich ebenfalls nicht ganz ernst, wenn sie lustvoll ihre langen Glieder in alle Richtungen wirft, die Hüfte provokativ nach vorne streckt und von vier Tänzern wie eine Puppe manipuliert wird.

„Diamants“ schließlich, Balanchines Tribut an die russische Schule und Petipa, ist bereits durch Tschaikowskys dritte Sinfonie, die das Stück begleitet, ein kaum zu verderbendes Meisterwerk – nicht einmal durch das Orchester, das unter der Leitung von Kevin Rhodes dem russischen Komponisten nicht sehr viel Ehre widerfahren lässt. Hier sieht man Perfektion vom Corps de ballet bis zum Solistenpaar Agnès Letestu und José Martinez. Im Pas de deux, der mit Anklängen an „Schwanensee“ gespickt ist, findet man die Lyrik, die vollkommene Hingabe und die technische Meisterschaft, die man in „Emeraudes“ stellenweise vermisste. Martinez’ einzigartige Manèges, seine Fouettés mit wechselndem Fokus und generell die Mühelosigkeit seines Tanzes finden ein perfektes Gegenstück in Letestus blitzschnellen Pirouetten, ihren Balancen und ihrer majestätischen Interpretation. Etoiles wie diese sind die beste Hommage an den französischen Tanz und das Ballett der Pariser Oper, das sich wie jedes Jahr einmal zu Beginn des Abends stolz mit dem traditionellen Défilé präsentierte. In diesem lief erstmals Mathias Heymann als Etoile, dem seine Fans einen triumphalen Empfang bereiteten. Beschlossen wurde es von Nicolas Le Riche, der diese ehrenvolle Aufgabe frisch vom kürzlich verabschiedeten Manuel Legris übernahm.

Besuchte Vorstellung: 22.10.2009 Paris, Palais Garnier, Vorstellungen bis 17.11.2009

www.operadeparis.fr

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