Ein lediglich strukturelles Gebilde

"Pas un, pas de deux" von Agnès Noltenius

München, 14/12/2009

Im Tanz, wie in anderen Künsten auch, scheiden sich die Geister: die einen wollen etwas über die formale Bewegung hinaus ausdrücken. Den anderen genügt die reine Form. Zu den Formalisten ist wohl auch die Deutsch-Französin Agnès Noltenius zu rechnen, die sich nach 13jährigem Engagement beim großen und sie sichtlich prägenden Form-Experimentierer William Forsythe als freischaffende Tänzerin und Choreografin in München niedergelassen hat. Ihr zweites hier entstandenes Stück "Pas un, pas de deux" will (auf dem Papier) zwar die mit dem chinesischen "Ying und Yang" formulierten kosmologischen Männlich-Weiblich-Grundkräfte untersuchen. Es erweisen sich jedoch auf der in Arena-Form bestuhlten i-camp-Bühne ihre und des Italieners Raffaele Irace (Ex-Mitglied von Münchens Gärtnerplatz-Tanztheater) zeitversetzten und synchronen, gegenpoligen und spiegelbildlichen Bewegungs- und Schreit-Aktionen als ein lediglich strukturelles Gebilde.

Ein solches wäre – und allemal für die Formalismus-Fans im ausschließlichen, zudem erstaunlich spärlichen Insider-Publikum – durchaus akzeptabel, wenn eben diese Struktur mit interessanten Bewegungsabläufen, mit Komplexität aufwarten würde. Form pur kann ja hoch spannend sein, wenn sie dicht ist - so wie beim jüngst verstorbenen US-Altmeister Merce Cunningham; wenn Bewegung zu optischer Melodie und optischem Rhythmus phrasiert wird, wie bei William Forsythe. Es ist doch, auch bei rein abstrakten Choreografien, der Tänzer, der uns fesselt, seine individuelle Körperpräsenz, seine ganz spezielle Bewegungs-Interpretation. Und da versteht man nicht, wie Noltenius und Irace, beide ja wohlgebaut und gut trainiert, so gesichtslos tanzen können, so ganz ohne Charisma und Witz. Kein Wunder, dass dieses eher als choreografische Fingerübung einzustufende Stück zum drögen, hart durchzusitzenden Exerzitium wird.

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