Berliner Ballettschule träumt abendfüllend

Gala der Staatlichen Ballettschule in der Staatsoper Unter den Linden

Berlin, 07/07/2009

Die jährliche Gala der Staatlichen Ballettschule in der Staatsoper Unter den Linden steht seit der Amtsübernahme von Gregor Seyffert als Künstlerischer Leiter unter dem Motto „Tradition bewahren, Neues wagen“. Überaus erfolgreich war 2007/08 die Kombination von George Balanchines „Serenade“ mit Torsten Händlers packender Version von „Romeo und Julia“. Was die begeisterten Besucher in der ausverkauften Lindenoper am vergangenen Sonntag (5. Juli 2009) bestaunen konnten, war die Erfüllung eines künstlerischen (und pädagogischen) Traumes. Erstmals präsentierten sich über 80 Studierende vom ersten bis zum neunten Ausbildungsjahr in einem abendfüllenden Handlungsballett. Zum dritten Mal hat der namhafte Choreograf Torsten Händler mit „Ein Sommernachtstraum“ einen Stoff für die Staatliche Ballettschule erschlossen, der speziell für diese jungen Interpreten viele Möglichkeiten eröffnet ihr vielseitiges Können zu erproben und unter Theaterbedingungen unter Beweis zu stellen.

Shakespeares turbulente Komödie um die Verirrungen junger Liebender und eine Musikcollage (von Mendelssohn Bartholdy über Alpenjodler bis Ethnorock) sind für Choreograf Torsten Händler die perfekten Zutaten für ein neues Tanzstück, das gleichsam von der „Kompanie Staatliche Ballettschule“ zum Leben erweckt wurde. Was Händler gemeinsam mit den hoch motiviert tanzenden Eleven auf die Bühne zaubert, begeistert durch Tempo, Komik, Expressivität und tanztechnische Souveränität in klassischem Spitzentanz und moderner Bewegungssprache. Dieser „Sommernachtstraum“ ist ein anspruchsvolles Spiel junger Leute mit der Magie der Fantasie ganz ohne Elfenverkleidung, Waldgestrüpp, Athener Pomp, allein der offene bunt ausgehängte Bühnenraum wird zur Spielwiese der Träume und ein zerplatzender Luftballon, aus dem Goldstaub auf Titania und Lysander fällt, ist die Liebesblume.

Das Handwerker-Sextett ist schon bei offenem Vorhang zu Beginn auf Szene, sie sägen und essen, schwatzen mit den Zuschauern. Gekleidet als internationales Sportteam entfachen sie akrobatisch viel Power zu krachendem Alpenrock, die sich jedoch später in wiederholtem Klamauk erschöpft. Puck, der Eventmanager im Zauberwald aus bunten Luftballons, hat alle Hände und Füße voll zu tun, um die Wünsche seines Herrn Oberon zu erfüllen und seine versehentlich ausgelösten Liebesturbulenzen zwischen den jungen Leuten ins Lot zu bringen. Yanquiel Ochoa Leiva als Puck ist der Spiritus Rector und läuft besonders im zweiten Teil tanzend, spielend und sprechend zu Hochform auf. Wie er sein Elfenvolk auf der Bühne und das Publikum bis in den dritten Rang zu Mitspielern seiner charmanten Lektion im Jodeln macht, muss man einfach erlebt haben. Leivas Puck dreht brillante Fouettés und lässt die Mädchen um sich tanzen. Hier wie in anderen Szenen zeigt sich leider in der perfekten Form mehr Nebeneinander als Miteinander von Solisten und Gruppe. Julia Schalitz (Helena), Julian Trapp (Demetrius), Mihaela R. Dorus (Hermia) und Christopher Carduck (Lysander) beglaubigen ihre Rollen vorzüglich, sie tanzen und spielen gemeinsam mit vollem Einsatz, ihre Figuren sind lebendig und dem Strudel der wechselnden Sehnsüchte turbulent ausgesetzt. Mitunter jedoch zerfällt die Handlung, tritt auf der Stelle oder die Personen sind nicht ausreichend choreografisch entwickelt. Wie Zettel (Daliev Burkhanov) durch Puck in einen Esel verwandelt wird und wie sich die auftrumpfende Titania (Tamta Jashiashvili) in dieses Tier verliebt, vermag die Choreografie poetisch nicht zu beglaubigen. Man sieht nicht, dass Titania dem Esel verfallen ist. Dem Quintett um die quirlig selbstbewusste Motte (Alicia Ruben) hätte ich mehr Interaktion in das träumerische Treiben gewünscht; wie diese kleine Person dem großen Oberon (Denislav Kanev) Paroli bietet, ist pure Lust am tänzerischen Spiel. Die intensive Dramatik des Ensemblespiels von „Romeo und Julia“ wird im „Sommernachtstraum“ leider nur partiell erreicht.

Nach dem noblen unisono Duett der hohen Paare, dem sich die jungen Liebesleute anschließen, präsentieren die sportiven Handwerker ihr Hochzeits-Spiel von „Pyramus und Thisbe“ zum schrägen Jodler in witzigen Mond- und Löwen-T-Shirts als szenische Behauptung. Die offene Bühne mit luftig bunten Seitenhängern (Bühne: Manuela Geisler) füllt sich mit den jungen Akteuren in regenbogenfarbigen Kleidern und Hosen (Kostüme: Birgit Wunder). Die Musik verebbt und ein neuer Zauberklang erfüllt den Raum – das rhythmische Klatschen der jungen Leute mischt sich mit Vogelgezwitscher bis der Vorhang sich schließt. Ein wunderschöner, leiser Schluss für einen poetischen Traum.

Diese Galavorstellung „Ein Sommernachtstraum“ war der in der vergangenen Woche verstorbenen Tanzikone des modernen Tanztheaters Pina Bausch gewidmet. Von Bauschs Interesse an dem, „was Menschen bewegt“, sollte sich die künstlerische und pädagogische Arbeit der Staatlichen Ballettschule Berlin mit Begeisterung und nie versiegendem kritischem Blick weiterhin leiten lassen.

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