Panoramaschwenk über die aktuelle Tanzszene rund um den Bodensee

Im Mittelpunkt der 10. IBK-Künstlerbegegnung in St. Gallen steht der zeitgenössische Tanz.

St. Gallen, 22/09/2009

Tanzen macht schlau, ist aber schwer vermittelbar. Reich an Thesen und Gesprächen – öffentlichen wie informellen - war am vergangenen Wochenende die zehnte Künstlerbegegnung der Internationalen Bodensee Konferenz (IBK). Unter dem Motto „abheben und überfliegen“ steht der zeitgenössische Tanz im Rampenlicht. Drei Tage lang trafen sich Tanzschaffende der Region, darunter auch der neue St. Gallener Tanzchef Marco Santi. Es wurde getanzt, philosophiert, diskutiert und Tanzbegeisterte hautnah ins Geschehen einbezogen. Mit intensiven Workshops für Profis und Laien ging der Tanzmarathon am Sonntag zu Ende. Ermöglicht wurde er durch Unterstützung der IBK und des Kantons St. Gallen.

„In den einzelnen Ländern und Kantonen rund um den Bodensee ist aktuell viel in Bewegung, was den zeitgenössischen Tanz betrifft“, so Gisa Frank Wiederkehr, Künstlerische Leiterin der 10. IBK-Künstlerbegegnung bei ihrer Ansprache. Das kompakte Programm aus Tanzaufführungen, Performances, Workshops, Referaten und einem Tanzfest bietet ein reichhaltiges und vielfältiges Bild der vermeintlichen Nischenkunst. Im Mittelpunkt stehen die neun eingeladenen Tanzkompanien und Tanzschaffende aus den IBK-Mitgliedsländern und Kantonen Baden-Württemberg, Bayern, Vorarlberg, Schaffhausen, St.Gallen, Thurgau, Zürich, den beiden Appenzell sowie dem Fürstentum Liechtenstein. Raus in die Öffentlichkeit, heißt es am Freitagnachmittag. Mit Kurzchoreografien und Gruppen-Improvisationen erobern die Profis den urbanen Raum, überraschen Passanten am Bahnhofsplatz, im Klostergarten Katharinen oder auf der Wiese Unterer Brühl. Das Ereignis des Abends ist ein Tanzfest für Jung und Alt, bei dem vier Profis die Tanzfreude der zahlreichen Besucher mit Kurz-Choreografien entfachten. In wenigen Minuten beigebracht, werden diese in der kurzweiligen Ballnacht mit DJ und 12-köpfiger Liveband ausprobiert.

Am Samstag wird der Tanzmarathon mit 9 x Tanz in der Grabenhalle gestartet. Scharfsinnig gleichwohl mit Witz analysieren Choreografinnen wie Monica Gomis (Bayern) in „A woman with a plan“ und Nicki Liszta von Backsteinhaus Produktion (Baden-Württemberg) im try-out „femme fatale“ weibliche Rollenmuster. Ironie blitzt auf in der textstarken Kumpane-Produktion „Rock and Roll ist hier zum Stehen. Oder vom Glück, nicht das zu sein woran man hängt“ von Tina und Andri Beyeler (Schaffhausen). Marco Santis Performance „Verkörperte Spiegel“, die den Aufführungsmarathon eröffnet, fasziniert durch Deutungen und Lesarten. Lichtspiele, Schatten- und Spiegelbilder zu Urlauten und abstrakten Geräuschen sind getanzte Reflexionen, die man wörtlich wie metaphorisch, philosophisch wie ästhetisch verstehen – und genießen kann.

Bildmedien wie Video, Polaroid und Lomographie als Referenzebene unterstreichen, komplettieren und kommentieren die choreografisch-tänzerischen Aussagen. Schimmert in „blindlinks“ der Compagnie Bewegungsmelder aus dem Vorarlberg verhaltene Gesellschaftskritik durch, illustriert das Trio Roemmel/Collaud/Hettich (Appenzell Ausserrhoden) mit Hilfe großformatiger Videoeinspielungen, was sie unter ‚5 vor 12’ verstehen. Aspekte von (Sozial-)Darwinismus werden in „Überleb dir mal“ drastisch vorgeführt. Einblicke in das noch im Entstehen begriffene Stück „nimmermehr“ gibt Seraina Dejaco (Thurgau) anhand projizierter Polaroids und Tagebuchnotizen. Immer ist der Körper Bezugspunkt. Radikal und schonungslos behandelt ihn Marisa Godoy (Oona Project, Zürich) in ihrem Solo „Radical_Connector“. Auf raffinierte Weise setzt sich Susana Beiro (battleROYAL, Fürstentum Liechtenstein) über die Schwerkraft hinweg. Die in Berlin arbeitende Choreografin anonymisiert ihre vier Protagonisten mittels Maske und weißen Overalls, auf dass sie in „Soft Landing“ als Strippenzieher ihr hintergründiges Spiel aus Luftnummern treiben.
 

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