Neapolitanische Lebenslust und Todesahnung

Mit der Premiere des stürmisch gefeierten Pergolesi-Ballettabends von Jörg Mannes begannen Hannovers 5. Oster-Tanz-Tage

Hannover, 22/03/2008

Giovanni Battista Pergolesi lebte nur 26 Jahre und ist doch durch seine Musik unsterblich geworden. Hannovers österreichischer Ballettchef Jörg Mannes hat dem Neapolitaner (1710-36) mit seinem zweiteiligen Ballett „Pulcinella/Stabat mater“ zur Eröffnung der 5. Oster-Tanz-Tage ein eindrucksvolles Denkmal gesetzt. Menschliche Vergänglichkeit und Lebenslust „im Schatten des Vesuvs“ ist das Motto. Pergolesis „Stabat mater“, für zwei Frauenstimmen und Orchester kurz vor seinem Tod angeblich innerhalb weniger Tage komponiert, ist eine der anrührendsten sakralen Kompositionen überhaupt. Die berückenden Trauer- und Klagegesänge boten Dorothea Maria Marx und Okka von der Damerau bei der Premiere ergreifend. Der musikalische Hochgenuss ist weit mehr als ein Trostpflaster für die reichlich pastos und unrein intonierte „Pulcinella“-Musik, die Igor Strawinsky aus Musikstücken Pergolesis schrieb.

Für die Commedia dell'arte Komödie um Italiens Harlekin, der ganz Neapel mit seinen Verwirrspielen auf den Kopf stellt, findet Mannes begeisternd ausgelassene Gesten voll Witz und Tempo. Spiel- und sprungfreudig wie bisher nie gibt sich die erst in der vorigen Spielzeit formierte grosse Truppe. Elvis Val als Pulcinella und der drahtige Pantelis Zikas als sein Freund Furbo, der für ihn den Scheintod stirbt (um in dreifacher Gestalt alle von Neuem durch Neapels Gassen zu hetzen) sind köstliche Kumpel. Die hauchzarte Keiko Nisugi tanzt Pulcinellas Pimpinella hinreissend kokett und theatralisch exaltiert. Hatte kein Geringerer als Pablo Picasso die kunterbunte Ausstattung für die Pariser Uraufführung von „Pulcinella“ 1920 geschaffen, so setzt Bühnenbildner Lars Peter völlig auf stilisierte Unterkühlung des neapolitanischen Flairs. Durch neun gleich grosse mobile Würfel deutet er Häuser und enge Gassen an. Duftig stilisiert sind Lenka Radeckys Kostüme. Eine andere Welt als das sonnige Neapel danach: Vorn an der Rampe erinnert ein Sandstein-Torso an den Untergang Herculaneums.

Der Tanz vor einer hohen Wand aus den neun Quadern beginnt und endet mit einem düsteren Tableau als einzige Reverenz an die Trauermusik. Dann stieben die Tänzer in ihren meist schwarzen Trikots, Röcken oder Hosen aus einander, treten in hochakrobatischen Soli und kleinen Ensembles auf. Einmal mehr erweist sich Jörg Mannes als sensibler Ballett„komponist“ musikalischer Meisterwerke.

Weitere Vorstellungen: 24.03. und 04., 11., 19., 23., 27.04.08 

www.oper-hannover.de

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