Kleine Wunder

„Onegin“ beim Bayerischen Staatsballett

München, 25/02/2008

Das ist das kleine Wunder bei den Handlungs-Klassikern: Neu besetzt, erzählen sie wieder eine ganz andere Geschichte. Wenn Lucia Lacarra und Marlon Dino „Onegin“, dieses vollkommenste aller Cranko-Ballette, mit schon unwirklich gefühlsaufreibender Dramatik tanzen, so bleibt die Staatsballett-Kollegin Roberta Fernandes, jetzt erstmals als Tatjana, auf emotionaler Ebene viel näher am Zuschauer und seiner nun eben meist nicht in theatrale Höhen abhebenden Realität. Gar so erdenschwer hätte darum aber das Staatsorchester unter Myron Romanul nicht musizieren müssen (Münchner Nationaltheater).

Mit Cyril Pierre als erfahrenem Onegin gelangen die für Cranko so typischen kniffligen Liebes-Pas-de-deux blendend. Besonders erwähnenswert, weil Fernandes nur kurze Zeit zur Einstudierung hatte. Mit einer zweiten und dritten Chance würde sie sicher den Reifeprozess von der jungen Tatjana zur voll erblühten Gremin-Gattin nuancierter zeigen können. Leider endet die „Onegin“-Serie bereits mit einer letzten Vorstellung in der Ballettwoche (12.-19.04.). Ausgesprochen tänzerisch ist diese erste Solistin auf jeden Fall und hat, was man bei ihrer weiblichen Anmut gar nicht vermutet hätte, durchaus das Zeug für herb-dramatische Rollen. Lukas Slavicky erwies sich mit seinem gewinnenden Ungestüm wieder als ein glänzender Lenski und Ivy Amista, seine Olga, als gute Tänzerin, Jungmädchenreiz inklusive. Das erhoffte Liebesknistern allerdings vermisste man zwischen den beiden. Mal rund heraus: das Staatsballett hat sicherlich tolle Tänzer, aber - mit der großen Ausnahme von Lucia Lacarra/Marlon Dino - zur Zeit keine, die mit der gewissen „Chemie“ packende Rollenbeziehungen entwickeln.

Bei fünfzehn Solisten (davon acht erste Solisten), das heißt neun Damen und sechs Herren, sollten doch mehrere spannende Paar-Konstellationen möglich sein. Wir lieben das Staatsballett, aber hätten es schon gerne ein bisschen aufregender.


Nochmals am 14. 04., voraussichtlich mit Lacarra/Dino

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