Die Infantin modern porträtiert

Mit einem fulminanten Ballett-Gastspiel starteten die Internationalen Tanzwochen Neuss in die Saison 2008/2009. Spitzen-Ballett auf halber Spitze, getanzt mit einer fantastischen Präzision und Expressivität, bot das Ballet de Biarritz in der ausverkauften Stadthalle Neuss. Velázquez' Porträt der Infantin Margarita stand Pate für das gleichnamige Tanzstück von Ballettchef Thierry Malandain. Drei riesige Figurinen in den ausladenden Röcken des 17. Jahrhunderts stehen als Metapher für geistige Enge. Aber die Choreografie verschiebt sie ständig und schafft so mit minimalen Mitteln ein Gegenbild zur Erstarrung der Zeit. Das setzt sich im Tanz fort, der leicht und beherzt mit Bildmotiven von Velázquez spielt, etwa den meninas (Hoffräuleins).

Malandains Choreografie zur Musik von Maurice Ravel findet Bilder vollendeter Schönheit und Ausdruckskraft. Und er schafft mit weit geöffneten Körpern auch ein Gegenbild zur formalen Strenge des klassischen Balletts. Das setzt sich im Handlungsballett „Liebeszauber“ fort: Ein echter choreografischer Knüller, denn der Tanz greift nur die Grundmotive des andalusischen Märchens auf, die durchgängig vom ganzen Ensemble getanzt werden. Nur einmal findet sich ein Paar zu einem verzaubernden Pas de deux. Eine großartige Leistung mit einer radikal neuen Sicht aufs klassische Ballett.

Genau diesen neuen Blick auf die Tradition des Tanzes verfolgten bereits 1983 die Initiatoren der Neusser Tanzwochen, zu denen auch der heutige Kulturstaatssekretär Grosse-Brockhoff gehörte, seinerzeit Kulturamtsleiter in Neuss. Laut Festivalchef Rainer Wiertz sollten Gastspiele die Nische zwischen der Klassik Düsseldorfs und dem Modern Dance in Köln schließen. 25 Jahre Tanzwochen Neuss, 25 Jahre ein volles Haus mit 1100 Plätzen, davon über 800 als Tanz-Abonnement, widerlegen das Vorurteil, Tanz und Ballett sprächen zu wenig Publikum an. Dazu wird auch die Lubovitch Dance Company aus Chicago, die am 9. Dezember ihr einziges Deutschland-Gastspiel in Neuss gibt, eindrucksvoll beitragen. Vorher aber wird es exotisch. Im Rahmen des Pina-Bausch-Tanzfestes wird Kahekili aus Hawaii gezeigt.

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