Zusammenarbeiten ist ein Erfolg

Die erste Biennale der Tanzausbildung in Berlin

Berlin, 07/03/2008

Mit dem ‚Tanzplan Deutschland’ hat der Tanz in Deutschland Aufwind bekommen. Der Tanzplan Deutschland ist eine der größten Initiativen der Kulturstiftung des Bundes, hat 2005 für die nächsten fünf Jahre 12,5 Mio Euro zur Verfügung gestellt und kümmert sich vor allem um die Aufwertung, Verbreitung und Vernetzung der Kunstsparte Tanz in verschiedenen Regionen Deutschlands. Ein zweiter Schwerpunkt des Tanzplans ist die Unterstützung und Förderung der Tanzausbildung in Deutschland. Die Biennale der Tanzausbildung, die in Berlin im Hebbel am Ufer vom 27. Februar bis 4. März stattgefunden hat, ist ein erster Schritt, den Stand der Tanzausbildung in Deutschland einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Vorausgegangen ist diesem dem Theatertreffen der Schauspielschulen vergleichbaren Treffen die sogenannte ‚Ausbildungskonferenz Tanz’, in der sich vor rund einem Jahr alle elf staatlichen Schulen auf Initiative des Tanzplans zusammengeschlossen haben – eine nationale Interessenvertretung der wichtigsten Ausbildungsinstitute, die, wie deren Sprecher, der Folkwang-Professor Lutz Förster in seiner Eröffnungsrede bekannte, vor der Ausrichtung der Biennale erst durch zahlreiche Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten gehen musste. 

Lutz Förster: „Nun, wir haben uns geeinigt und so präsentieren sich hier in Berlin nach einem Prozess des langsamen Zusammenwachsens mit regelmäßigen Treffen, Diskussionen und gemeinsamen Workshops die elf staatlichen Tanzausbildungsstätten in einer, wie ich finde, imposanten Vielfalt mit sehr unterschiedlichen Ansätzen, Traditionen und Konzepten und Schwerpunkten, aber einem gemeinsamen Ziel, jungen Menschen eine qualifizierte Ausbildung zu ermöglichen und die Bedeutung der professionellen Tanzausbildung zu stärken. Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ist ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ist ein Erfolg – der Satz stammt leider nicht von mir, der ist von Henry Ford.“ 

Damit aber brachte es Lutz Förster, Professor an der Folkwang Hochschule Essen und Erster Sprecher der Ausbildungskonferenz Tanz, auf den Punkt: es ist allein schon ein Erfolg, wenn sich so unterschiedliche Vertreter einer künstlerischen Ausbildungssparte begegnen – zumindest für zwei Abende auf der Bühne. Denn dafür waren alle elf Geladenen gekommen: die Tanzabende 1 und 2 präsentierten in je einer halben Stunde Studierende der Abschlussklassen – die Schule des Balletts Hamburg, wie sollte es anders sein, ein Stück modern bearbeiteter Klassik ihres Gründers John Neumeier, die für modernes Tanztheater stehende Folkwang Hochschule aus Essen u.a. eine Solochoreografie von Susanne Linke, der Ausbildungsbereich Zeitgenössischer und Klassischer Tanz in Frankfurt Ausschnitte aus einem Forsythe-Stück und die John-Cranko-Schule aus Stuttgart einen rein klassischen Pas de deux.

Sehr deutlich waren nicht nur die unterschiedlichen Qualitäten der Ausbildungsgänge zu erkennen, sondern auch die zum Teil weit auseinandergreifenden Profile der Schulen. Welten liegen zwischen den Vorstellungen der klassisch-technischen Eliteschmiede Stuttgart und dem Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz aus Berlin, das sich mit einer konzeptionell durchdachten, aber wenig Bühnenerfahrung offenbarenden Gruppen-Performance präsentierte. Die Spannweite zwischen dem, was die einzelnen Schulen an ‚Tanz’ vermitteln, ist riesig und das nicht ohne Grund.

Ingo Diehl: „Ich glaube, die Tanzpraxis hat sich geändert, wir gehen heute nicht mehr von klaren, einzelnen Techniken unbedingt aus. Auch im klassischen Tanz gibt es mittlerweile andere Strömungen, die Einfluss nehmen auf das Training. Im zeitgenössischen Feld ist es so, dass es nicht mehr ein oder zwei Techniken sind, die vermittelt werden, sondern wir gehen mit hybriden Formen um. In der Tanzpraxis ist es auch so, es sind im Grunde Personen gefragt, die sich ihre eigene Biografie im Tanz bauen, ganz unterschiedlich und es hat Einfluss auf die Ausbildung.“

Ingo Diehl leitet im Rahmen des Tanzplans Deutschland die Ausbildungsprojekte sowie die Ausbildungskonferenz Tanz. Die Idee, eine zum Teil öffentlich zugängliche Biennale der Tanzausbildung zu veranstalten, hat nur auf der einen Seite mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit für den Tanz zu tun. Ein anderer Grund liegt in der Notwendigkeit gegenseitiger Kommunikation. Die gelang – wenigstens in weiten Teilen. Die drei rein klassischen Schulen aus Hamburg, Stuttgart und München reisten zwar nach den Vorstellungen sofort wieder ab, weil andere Gastspiele riefen – die verbliebenen Institute aus Berlin, Frankfurt, Dresden, Essen, Köln und Mannheim hingegen traten in einen befruchtenden Dialog, sowohl unter den Studierenden als auch auf der Ebene von Lehrern und Direktoren. Miteinander geredet wird aus gegenseitigem Respekt, aus Neugierde, aber vor allem mit der Absicht, das Profil der eigenen Schule in Abgrenzung und Ergänzung zu den anderen zu schärfen.

Ingo Diehl: „Vor 10, 15 Jahren war es noch so, dass die Institutionen eigentlich zum großen Teil gesagt haben: wir bilden alles aus, klassisches Training, modernes Training, Folkloretraining – es war ganz klar Techniken zugeordnet und die Studenten sind rumgefahren in den Landen, wenn sie es an der einen nicht geschafft haben, sind sie zur nächsten gegangen, das war eigentlich relativ willkürlich. Jetzt ist es doch so, dass eine Art von Profilierung stattfindet und ich finde, das ist doch sehr deutlich geworden, dass es genauer werden muss und möchte ja auch die Studenten bekommen, die für meine Ausbildung, für meine Zielsetzung die richtigen sind.“ 

Im öffentlichen Programm hat diese erste Biennale der Tanzausbildung dreierlei gezeigt: dass in Deutschland jede Menge Tänzer mit solider klassischer, moderner und zeitgenössischer Tanztechnik ausgebildet werden, aber auch, dass die Lücke in der Ausbildung zum sogenannten ‚Tänzer-Choreografen’, der selbst auch sein eigener Performer sein will, noch immer nicht geschlossen ist und dass die jungen Tänzer an den Schulen in der Regel besser sind als die Choreografen, die mit ihnen arbeiten. Denn das, was man in weiten Teilen an Körper- und Geschlechterbildern auf der Bühne sah – anmutige Feen, süßliche Mädchen und stramme Jungs – erinnerte doch noch sehr an Relikte aus vergangenen Zeiten. Aber das kann sich ja spätestens auf der nächsten Biennale der Tanzausbildung in zwei Jahren geändert haben.

Gesprochener Beitrag / Live-Gespräch auf Deutschland Radio Kultur am 03.03.2008

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