Das ThüringenBallett bringt in Gera „LiebesBriefe“ zum Tanzen

Kampfarena der heiteren Art

Gera, 03/05/2007

Welche mehr oder weniger erfreulichen Seiten die Liebe bereithält, das lotet in Gera Peter Werner-Ranke aus. Die „LiebesBriefe“, mit denen sich das neu benannte ThüringenBallett das für gut 23 Millionen Euro hinreißend restaurierte Große Haus erobert, beziehen auch den per Band eingesprochenen Text ein. Zwischen den 18 getanzten Miniaturen des kurzweiligen Abends geben Große kund, was das Leben sie gelehrt hat: Gedichte von Goethe bis Rilke, von Ironikern wie Christian Morgenstern und Eugen Roth strukturieren das knapp zweistündige Programm. Nicht alle Schmerzen sind heilbar, weiß etwa Ricarda Huch. Und um Liebesschmerz geht es in den Kurzchoreografien reichlich.

Schon das Entree deutet Konflikte an. Unter Paaren bleibt in „Ti Amo“ ein Mann allein, weil sich seine Partnerin plötzlich anderweitig liiert. Trägt hier noch ein ohrwürmiger Popsong das Vexierspiel, leiht Franz Schmidt sein elegisches Intermezzo aus „Notre Dame“ einer „Tragischen Liebe“. Bis Sabine Völkl ihren Verehrer Yusuke Hikichi nach einem Handkuss stolz verabschiedet, hat sich ein ganzes Drama um Anziehung und Abstoßung ereignet, nicht immer ausgeformt und bisweilen etwas hohlräumig. Zu Ines Paulkes „Color of my tears“ darf dann der Abgelehnte feingliedrig, geschmeidig und mit Pathos sein Leid zelebrieren.

„Männer“ skizziert zu Musik Ernst Hermann Meyers artistisch die flüchtige Begegnung zweier Burschen, und „Königin“ von Rosenstolz ermöglicht zwei Frauen einen nicht ganz überschaubaren Zickenkrieg. Sätze aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ verschweißen zwei weitere Duette. Im ersten genießen Alina Dogodina und Vitalij Petrov ein Glück, dass offenbar nicht sein darf. Im zweiten rächt sich ihr eifersüchtiger Freund an der Ungetreuen: Was dem Choreografen für diesen Ringkampf zwischen Küssen und Schlägen, auf Spitze, mit Stemmposen und Hebungen über den Rücken, eingefallen ist, bescherte Dogodina und Martin Svobodnik als ausdrucksstarkem Doppel den überzeugendsten Beitrag dieses ersten Teils. Heiter endet er mit dem Stripversuch eines bebrillten Buchhaltertyps, der an der Schminkwut seiner Angebeteten abprallt.

Als künstlerisch ergiebiger erweist sich der Teil nach der Pause mit nochmals neun Beiträgen. Ein originaler Mozart sowie Mozart-Variationen von Max Reger und Frédéric Chopin klammern in drei choreografisch unterschiedlich gelungenen Episoden die schweifenden Gefühle von vier Menschen. Eine Rose wandert dabei als Liebespfand von einem zum anderen. Besonders Vitalij Petrov als verliebter Romantiker kann hier klassische Linie präsentieren. Ein einsamer Narziss, der sich vor einer Spiegelwand selbst begegnet und seine Isolation nicht zu überwinden vermag, sprengt die Gefühligkeit: Bartosz Anczykowski punktet in „Shadow Line“ zu Musik von Wojciech Kilar mit stupenden technischen Tricks; als „Trinker“ im ersten Teil lässt ihn schlicht die Choreografie im Stich. „Er gehört zu mir“, behauptet Marianne Rosenberg in ihrem Hit der 1970er; ein skurril abgelebtes Paar im Ehebett weiß davon nichts mehr und bietet Zusehspaß der hämischen Art.

Vom Gefangensein in der Unentschlossenheit erzählt „Frühlingserwachen“, die formvolle, zu Ennio-Morricone-Klang gut getanzte Studie: Vier Grazien können Yusuke Hikichi nicht aus der Reserve locken. Thematisch wieder verbunden und von starker Wirkung sind die letzten zwei Beiträge. Cristina Maiquez-Catala als nixenhaftes Naturwesen vernascht erst zu einem Tango von Schostakowitsch einen faunischen Tölpel, bis sie mit einem anderen Mann wirkliche Liebe erfährt. Wenngleich gegen die Sangeskraft von Freddy Mercury und Montserrat Caballé schier kein Tanzkraut gewachsen ist, brillieren die Nixe und Martin Svobodnik als ebenbürtige Partner in dieser originellen Choreografie. Am Ende läuft nochmals „Ti Amo“, bevor Liebesbriefe vom Bühnenhimmel regnen und jeder in seine Lektüre vertieft die Kampfarena verlässt.


Wieder 8., 30.5., Kartentelefon 0365/773 63 43

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