Jazz und indischer Tanz

„Treading The Unknown“

Lüneburg, 08/01/2007

Eins greift ins Andere – und bleibt sich doch fremd. Gerade daraus zieht die DVD „Treading The Unknown“ seinen Reiz.

Shama Bhate, Vertreterin des nordindischen Tanzstils Kathak (entstanden als tiefreligiöser Tempeltanz), bewegt sich präzis in ihrem eigenen Idiom zu den komponierten und improvisierten Klängen von Manfred Paul Weinigers (Trompete, Flügelhorn) Jazzsextett, das ergänzt wird von der Sitar Ravi Charys. Bhate und Chary steuern musikalisch indische Lautmalerei, halsbrecherisch rhythmisiert in rasendem Tempo, bei. Die Rasanz wird aufgenommen von den Musikern, die sich traumwandlerisch sicher in den ungeraden Takten bewegen. Irgendwie scheint anfangs auch die Sitar zu den europäischen Instrumenten Tenor- und Sopransax, Bassklarinette, Vibraphon, Gitarre, Schlagzeug und Bass zu passen. Bei längerem Zuhören sticht die Sitar aber „fremdelnd“ hervor mit ihrem eigentümlich klirrenden, sirrenden Klang, der bewusst mit starkem Vibratotönen aus der klaren Linie ausbricht. Weinberger komponierte die einzelnen Nummern in enger Zusammenarbeit mit der indischen Tänzerin, die in Pune seit 17 Jahren das Musik- und Tanzinstitut Nad Roop leitet. Obwohl Kathak Erzählung bedeutet, scheinen sich die Stücke mehr im abstrakten Bereich zu bewegen. Da wird etwa Ganesh, dem Gott der Künste, ein Tanz geweiht, ein anderer wendet sich an die „Weeping Willows“ (Trauerweiden), weitere heißen einfach „Treading The Unknown“ (etwa: das Unbekannte betreten), „Creative Distance“ oder „9 For Blue“.

Im Finale wird das turbulente Verkehr- und Menschengewimmel der „Laxmi Road“, einer viel befahrenen Hauptstraße, in wirbelnden Tonsequenzen „beschrieben“. Die Musik bleibt kammermusikalisch subtil, manchmal überrascht die Sitar mit einem fast wilden Ausbruch. Shama Bhate macht im wahrsten Sinne des Wortes keine großen Sprünge, nur einmal vollführt sie eine Folge von Hüpfern, jeweils innerhalb einer Bewegungsfolge. Ansonsten ist sie erdverhaftet, meist auf flacher Sohle. Auch Drehungen verharren „unten“ mit rollendem Schwerpunkt (die Schultern bleiben auf einer Höhe). Sehr nuanciert führt sie die Hände, Finger eng anliegend (nur der kleine Finger spreizt sich ab), die sie fließend dreht. Die Armbewegungen werden vor den Körper geführt, zur Geste seitwärts gelenkt oder diagonal nach oben zur Pose geformt, gehen nie bis zur vollen Streckung. Die beidfüßigen Drehungen blähen den weiten Rock zur Glockenform auf, enden oft mit einer weisenden Gebärde in eine Richtung. Was das bedeutet, bleibt dem Fremden (sprich: dem europäischen Zuschauer) verborgen. An den Fußgelenken von Bhate sind mehrere Schellenbänder angebracht, die den Rhythmus akzentuieren. Vollkommen exakt, bei ebenso vollkommener Gelassenheit, stampft sie die komplizierten Rhythmusmuster. Da man den Sinn der Bewegungen, Gesten, Gebärden nicht versteht, entsteht ein leicht monotoner Eindruck. Nach den Fotos auf der Homepage des Instituts Nad Roop zu urteilen, dürfte der Reiz sich für das unbedarfte Auge steigern, wenn Gruppen tanzen. Der DVD ist ein informativer Abschnitt über den Arbeitsprozess beigefügt. Wer mehr über Manfred Paul Weinberger wissen will, kann seine Homepage www.mpweinberger.at anklicken.

 

Der Vertrieb der DVD geht über www.leicom.de oder www.jazz-network.de.

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