Im freien Spiel der Förderinstitutionen

Freies Theater in Deutschland - Förderstrukturen und Perspektiven

Lüneburg, 16/06/2007

Mit diesem Buch legt der 1985 gegründete Fonds Darstellende Künste eine aktuelle Untersuchung zu den komplexen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen des professionellen Freien Theaters in Deutschland vor.

„Frei“ von gesicherter finanzieller Basisunterstützung (Projekt- statt institutioneller Förderung), oft „frei“ von geeigneten, erschwinglichen, ständig zur Verfügung stehenden Probenräumen und Aufführungsstätten – so offenbart sich oft die Wirklichkeit Freier Theater (eingeschlossen Tanzensembles), deren kreative Impulse für die Kultur, auch und gerade für die etablierten Theater, kaum zu überschätzen sind.

Die Publikation durchleuchtet den fast unübersichtlichen Dschungel der Förderungen, Bedingungen, Aussichten auf Bundes-, Landes- und Kommunenebene – und bietet dadurch Hilfe, Information für freie Kulturschaffende, sich zu orientieren, sich Geltung zu verschaffen und, nicht zuletzt, Geld heranzuholen für ihre Vorhaben. Für Letzteres werden beispielsweise die Förderstrukturen der Länder, Landeshauptstädte und Kommunen, öffentlich-rechtlicher und privater Stiftungen sowie Unternehmen aufgezeigt. Auf 518 Seiten werden fast alle Aspekte der freien Szene durchgehandelt: in Statements, Diskursen, protokollierten Symposien. Nicht alles ist da Gold, was zu glänzen scheint, aber eine Materialsammlung in dieser Breite bietet jedem sorgfältig lesenden Interessierten viele Einblicke und Erkenntnisse, die sich nutzen lassen im Kampf ums künstlerische Dasein.

Da referiert etwa Ulf Großmann, Kulturbürgermeister in Görlitz, über das Thema „Können Kommunalpolitiker angesichts leerer Kassen Lobbyisten des Freien Theaters sein?“ und bejaht diese Frage: Sie können, wenn sie nur wollen.

Walter Heun, Leiter von „Joint Adventures“ (Tanz- und Theaterproduktionsfirma in München), verweist darauf, dass Kunstförderung auch Wirtschaftsförderung ist und stellt fest: „Freies Theater und Tanz – vor allem der Tanz – spielen heute im internationalen kulturellen Dialog die zentrale Rolle …“. Er fordert, der Bund möge Finanzierungsverantwortung übernehmen „und zwar auch im Sinne einer künstlerischen Kontinuität und nicht nur einmaliger Projektförderung“.

Eine kenntnisreiche Tour d´Horizon über Entwicklungen im Bereich freier Tanz startet Michael Freundt, stellvertretender Direktor des Zentrums des Internationalen Theaterinstituts (ITI), in seinem Vortrag über „Kunstproduktion der Grenzüberschreitung – Tanz in der freien Szene“. Seine Interpretationen der Intentionen des Tanzes, nicht zuletzt in politische Bereiche schmecken mir persönlich nicht, da sie zu sehr auf einen Aspekt einengen.

Tief in die Strukturen steigen die drei Diskussionsteilnehmer/innen bei „Welche Rolle spielen die Förderungsinstitutionen des Bundes für das Freie Theater in Deutschland“: Hortensia Völckers (Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes), Adrienne Goehler (Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds) und Günter Jeschonnek (Geschäftsführer des Fonds Darstellende Künste). Völckers beschreibt die finanzielle Dimension ihrer Einrichtung: „38 Millionen Euro sind nicht einmal so viel, wie das Opernhaus in München in einem Jahr zur Verfügung hat.“ Diesen thematischen Blöcken schließen sich nützliche Daten an, etwa über die Mitglieder des Fond Darstellende Künste, über die Zahl der Anträge in den Ländern von 2000 bis 2006 (fast doppelte Anzahl von 368 auf 654 bei beinahe gleichbleibender Förderung von 111 auf 147). Alphabetisch aufgeführt sind die Städte mit ihrer Antragssituation. Die Zahl der Anträge an den Fonds Darstellende Künste im Bereich des Tanztheaters sind seit 1988 kontinuierlich gestiegen, ist aus der Statistik herauszulesen. Zur Einordnung wichtig ist das Glossar über die beteiligten Autor*innen.

Fazit: eine gelungene Publikation, die jedem/jeder freien Kulturschaffenden in die Hand gegeben werden sollte – am besten durch eine bundesweite Aktion der Förderinstitutionen.

 

Freies Theater in Deutschland – Förderstrukturen und Perspektiven Herausgegeben für den Fonds Darstellende Künste von Günter Jeschonnek, Klartext Verlag, 19 Euro www.fonds-daku.de

 

Wer seinen Einblick weiter vertiefen möchte, greife zu Adrienne Goehlers Buch „Verflüssigungen – Wege und Umwege vom Sozialstaat zur Kulturgesellschaft“, Campus Verlag, 2006. Die Kulturpolitische Gesellschaft ist ein bundesweiter Zusammenschluss kulturpolitisch interessierter und engagierter Menschen aus den Bereichen Kulturarbeit, Kunst, Politik, Wissenschaft, Publizistik und Kulturverwaltung. Die Kulturpolitische Gesellschaft bildet keinen berufsständigen Interessenverband und ist an keine Partei, Kirche oder Gewerkschaft gebunden. Sie will neue Leitbilder und Zielsetzungen für Kulturpolitik entwickeln. Zusammen mit dem Deutschen Kulturrat betreibt der Verband seit 1998 im Bonner Haus der Kultur den Cultural Contact Point (CCP). Es hat die Aufgabe, die kulturpolitischen Entwicklungen und Förderkonzepte auf europäischer Ebene zu verfolgen und darüber die Kulturverbände in Deutschland auf dem Laufenden zu halten. Bundesgeschäftsstelle Weberstr. 59 a 53113 Bonn T 0228/201 67-0 F 0228/201 67 33 post@kupoge.de,

 

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