Künstlerisches Gefälle

In der Volksoper wird ein neuer Ballettabend gezeigt

Wien, 18/03/2006

Das seit Herbst 2005 von Gyula Harangozó geleitete „Ballett der Wiener Staats- und Volksoper“ trat zur dritten Herausforderung an. Das künstlerische Gefälle zwischen Aufführungen aus dem Repertoire des Vorgängers Renato Zanella und den Neuerwerbungen des Direktors wird dabei immer größer. Nach den „Tschaikowsky Impressionen“, die bei der Kritik durchfielen und der verstaubten „Coppélia“ hieß es nun „Nicht nur Mozart“. Unter diesem Übertitel standen neben der Wiederaufnahme zweier älterer wertvoller Mozart-Werke von Jiri Kylián (im Mozart-Jahr vom Tonband!) Stücke der unbekannten Myriam Naisy und des von Harangozó geförderten Choreografen András Lukács auf dem Programm. 

Harmlos 
Naisys harmloses Kaffeehaus-Treffen „Mokka“ zu Songs von Paolo Conte hatte 1998 in Budapest Premiere. Lukacs‘ bemühte, späte Aneignung eines historischen amerikanischen Tanzstils mit dem Titel „Tabula rasa“ (nach der Komposition von Arvo Pärt) ist eine Uraufführung. Beiden Neuerwerbungen wird in der Volksoper insofern Unrecht getan, als sie die Nähe zweier Meisterwerke, nämlich Kyliáns „Petite Mort“ und dessen „Sechs Tänze“, die den zweiten Teil des Abends darstellten, schwer ertragen. Naisys Divertissement könnte man sich gut als Appetizer auf einer Provinzbühne vorstellen. Lukács‘ löblicher Versuch wäre in einem Choreografen-Workshop besser aufgehoben. Was eklatant auffällt ist, dass die neue Direktion Choreografen bemüht, die man gewöhnlich an einem ersten Haus eines Landes schwer vorfinden würde. Stellt man sich einen Gradmesser mit den Stufen von eins bis zehn vor, so würde man die Neuerwerbungen für die Staats- und Volksoper gelinde gesagt im unteren Drittel ansiedeln. Und das, was vom alten Repertoire geblieben ist, im oberen Drittel. Künstlerische Welten liegen dazwischen. 

Anspruch 
In Wien waren die unterschiedlichsten Direktoren und Direktorinnen die letzten dreißig Jahre bemüht, einen internationalen Standard zu erreichen. Das ist über große Strecken immer wieder gelungen und hat Tänzern wie Publikum viel gebracht. Erinnert sei daran, dass erste Choreografen wie Neumeier, Kylián, Hans van Manen sogar Uraufführungen für Wien machten. Diesen hohen künstlerischen Anspruch, den man von einem ersten Ensemble erwarten darf, vermisst man derzeit heftig.

Link: www.dasballett.at 

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

 

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