Eine Kompanie, die eigentlich den Namen Phoenix tragen sollte

Das Béjart Ballet Lausanne zu Gast bei den Festspielen Ludwigshafen

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Ludwigshafen, 18/11/2005

Sie sind rar geworden, die Gastspiele des Béjart Ballet Lausanne in Deutschland – eher kriegen wir ja seine japanische Filialkompanie, das Tokyo Ballet, zu sehen. Und das ist interessant. Denn im Gegensatz zu seiner eigenen Truppe mit ihrem Repertoire von ausschließlich Béjart-Choreografien tanzen die Japaner ja auch die Werke anderer Choreografen. Interessant, weil man sich allmählich Gedanken macht, wie es denn eines Tages ohne Béjart in Lausanne weitergehen soll. Schließlich wird er demnächst neunundsiebzig – und nie hat er daran gedacht, einen Nachfolger aufzubauen (im Gegensatz etwa zu Cranko, der im nächsten Jahr ebenfalls 79 geworden wäre – auch er hat wohl nicht direkt an einen Nachfolger gedacht, aber doch ein Fundament geschaffen, das das Überleben des Stuttgarter Balletts nach seinem Tod sicherte).

Ein Ballett Lausanne ohne Béjart aber ist zumindest aus heutiger Sicht unvorstellbar! Jetzt war das BBL wieder einmal zu Besuch bei uns – mit zwei Programmen und immerhin sechs Vorstellungen im Ludwigshafener Theater im Pfalzbau. Die neu etablierten Festspiele Ludwigshafen haben es möglich gemacht. Ihr Leiter ist Hansgünther Heyme, vormals Chef der Ruhrfestspiele, der seine Recklinghausener Ambitionen in etwas kleinerer Form für die BASF-Stadt zugeschnitten hat – als „ein spartenübergreifendes internationales Festspielprogramm von Schauspiel über zeitgenössischen Tanz zu Lesungen, Performances und Musikproduktionen“. Drei Tanzbeiträge sind diesmal dabei. Helena Waldmann mit ihren „Letters from Tentland“ war bereits da (und ist für den 25. Februar auch für die „Tanzplattform Deutschland 2006“ im Stuttgarter Theaterhaus angekündigt), und auf Béjart folgt dann in Ludwigshafen am 10. und 11. Dezember noch die israelische Kibbutz Contemporary Dance Company Screensaver. Nicht schlecht!

Aber das sollte doch nicht vergessen lassen, dass Ludwigshafen schon immer ein Tummelplatz aller möglichen Tanzkompanien – sogar auch solcher aus Deutschland – war. Eine willkommene Gelegenheit, Rainer Antoines zu gedenken, der nun auch schon zehn Jahre tot ist, und dem Ludwigshafen (und vorher Wiesbaden) so viele künstlerische Kontakte verdankte (besonders mit dem Bolschoi-Theater und Ballett, das ihn sogar, wenn ich mich recht erinnere, zum Ehrenmitglied gemacht hat). Und so hat Ludwigshafen auch schon in vergangenen Jahrzehnten immer wieder die Crème de la crème der internationalen Tanz- und Ballett-Kompanien zu sehen bekommen (mehr jedenfalls als Stuttgart, das ohne die Aktivitäten Ludwigsburg plus einst Böblingen/Sindelfingen und Fellbach ziemlich ärmlich dastünde). Bedenkt man, dass Béjart – nach diversen Vorläufern – 1960 als seine eigene Kompanie das Ballett des 20. Jahrhundert gründete, aus dem dann das BBL hervorging, existiert die Béjart-Truppe seit nunmehr 45 Jahren. Das ist ein absoluter Rekord für eine derart auf eine einzige Ballett-Persönlichkeit zugeschnittene Kompanie (lediglich auf dem Sektor des Modern Dance könnten da die Kompanien von Graham und Cunningham mithalten).

Möglich wurde dieses (andere) „Ballettwunder“ (neben dem Stuttgarter Ballett) durch die einzigartige Fähigkeit Béjarts, sich immer wieder phoenixgleich zu erneuern. Und so bot auch sein erstes Ludwigshafener Programm im Grunde nichts direkt Neues, wohl aber neben der Firmenschild-Produktion des „Boléro“ (Jahrgang 1961) zwei Ballette, die auf frühere Arbeiten zurückgreifen, in ihren gründlichen Überarbeitungen aber durchaus neu erschienen: „L'art d´être Grand-Père“, ein von Jugendlichkeit geradezu strotzender Rückblick, so ganz und gar nicht (im Zorn) auf die Exercise-Ballette der sechziger Jahre – ach, wenn man doch selbst als Großvater noch so jung wäre, wie Béjart sich offenbar als Zeitgenosse des 21. Jahrhunderts fühlt – und „Brel & Barbara“, hervorgegangen aus dem zur Jahrhundertwende entstandenen Chanson-Ballett „Lumière“ – seiner Hommage nicht nur an die beiden Großen des französischen Chansons, sondern an die (sehr französische) Liebe von ihrem jugendlichen Ungestüm bis zum Crime passionel.

Es ist ja aber auch erstaunlich, wie diese Kompanie sich immer wieder aus sich selbst heraus erneuert. Wie sich ihre einstmals Jeune Premiers zu Altvorderen entwickeln, etwa im Fall von Gil Roman und Elisabet Ros, die nach wie vor durch ihre Technik und Virtuosität nicht nur beeindrucken, sondern geradezu faszinieren. Aber dann ist die brillant beherrschte akademische Technik der Danse d'école das A und O dieser so ansteckend ihre Joie de vie kommunizierenden Tänzer, dass man sich selbst nach einer Vorstellung des BBL um mehrere Jahrzehnte verjüngt vorkommt. (Im zweiten Programm tanzt das BBL am 23., 24. und 25. 11. in Ludwigshafen „Bhakti“, „Serai-ce la Mort“ und „Wien, Wien nur du allein“).

 

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