Bosl-Matinee - die 99ste

Tolles Jubiläumsprogramm

München, 16/11/2003

Konstanze Vernon sagte es zu Beginn, wie immer vor den Vorhang tretend: 25 Jahre Ballettakademie München/Heinz-Bosl-Stiftung, das zieht bei zwei Vorstellungen mit zwei verschiedenen Programmen in jedem Ausbildungsjahr ein weiteres Jubiläum nach sich: dass nämlich am nächsten Sonntag die 100. Ballett-Matinee der Heinz-Bosl-Stiftung stattfindet. Die lange Erfolgsgeschichte der Münchner Edelschmiede für Tanztalente aus aller Welt manifestiert sich in diesem Jahr u. a. darin, dass sämtliche 14 Diplomstudenten bereits vor Ende ihrer Ausbildung feste Engagements an führenden Kompanien haben, z. B. nach Helsinki, Berlin, Zürich, Stuttgart und natürlich in München.

Das Programm der Jubiläums-Matinee war bereits jetzt zu sehen: Es war so ambitioniert, dass Vernon, um ihr Motto „Fördern durch Fordern“ nicht durch Überfordern aus der Balance zu bringen, einige Tänzer aus dem Corps des Staatsballetts einbezog, allesamt natürlich Bosl-Absolventen der letzten Jahre.
Es begann mit George Balanchines „Serenade“ (Tschaikowsky). Exakt in der Positionierung der Reihen tanzten die jungen Mädchen, als temperamentvolles Corps homogen einstudiert von Brigitte Thom, leicht und beseelt. In den Solo-Partien überzeugten als Gäste vom Staatsballett Maira Fontes mit eleganter Ausdrucksstärke und Vittorio Alberton als ruhiger Partner mit schöner Linie und hohen Sprüngen, ebenso Claudine Schoch und Olivier Vercoutère mit ihrer natürlichen Darstellung im Tanz des 4. Satzes. Gekonnte Jetés und Pirouetten, Développés und Arabesquen, organische Übergänge und schöne Tableaus stellten sicher, dass Gruppe und Solisten dieses Signatur-Stück Balanchines mit hoher Musikalität realisierten.

Nach der Pause folgte Unisono, Hans van Manens „Übung für Konzentration, Musikalität und Zusammenarbeit“, seit 1985 eines der Paradestücke der Stiftung und zum achten Mal im Matinee-Programm. Dabei ist es immer wieder eindrucksvoll, wie sich 70 Schülerinnen, unter ihnen auch die Kleinsten, für die gesamte Dauer von Haydns Adagio aus dem Konzert für Violine und Streichorchester C-Dur und Bachs „Air“ ohne individuelle Abirrung im großen Zusammenhang von Musik und Formationswechsel bewegen, den wie schon so oft Heidemarie Högl und Gabriela Nicolescu vorgaben. Die Magie früherer Jahre wurde aber nicht erreicht, vielleicht wegen der niedrig hängenden, offenen Beleuchtung.

Im anschließenden Pas de deux und Pas de quatre aus Jules Perrots Esmeralda zu Musik von Cesare Pugni tanzte Joana de Andrade weich und cantabel, mit schönen Expansionen ihre Sehnsucht zeigend. Mit guten Balancen gelang ihr ein ausdrucksvoller Pas de deux mit Wlademir Faccioni, einem weiteren Gast vom Staatsballett, der sicher und unprätentiös partnerte, während vier Studentinnen mit ihrer heiteren Leichtigkeit beim Pas de quatre die Handschrift Elena Pankovas verrieten, die für die Einstudierung zuständig war.

Krönender Abschluss waren zwei Werke Jirí Kyliáns, zuerst „Evening Songs“ zur Musik von Antonin Dvorak. Effektvoll vor dem schwarzen Bühnenhintergrund drei Mädchen in weißen Kleidern: Claire Hill, Sayo Yoshida und wiederum Joana de Andrade. Bald fanden sie sich mit Andrea Constanzo Martini, Bruno Narnhammer und Ilia Sarkisov in Kyliáns komplizierte Bewegungsrhythmen. In spannungsvoller Synthese von Bewegungsfluss und Partnerbezug, sakraler Färbung und natürlicher Darstellung realisierten die sechs einen „typischen Kylián“ mit einem hohen Grad von Sammlung und Kunstbewusstsein. So jung, so früh, so subtil und hintergründig!

Das Schlussstück, den ersten Teil von Kyliáns „Sinfonie in D“ zum 1. und 2. Satz von Haydns mozarteisch heiterer Komposition, tanzten 17 Tänzer und vier Solisten der Abschlussklassen. Im schnellen Wechsel der Konstellationen sorgen das Durchbrechen aller Ballettregeln, die Exaltation der Konventionen, die witzige Irritation aus Überforderung immer wieder für Gelächter bester Sorte. Denn wenn Kylián sich erlaubt, viele Verlockungen seiner nie versiegenden Kreativität fröhlich auszuchoreografieren, fasst er das gleichzeitig in ein tänzerisches Feuerwerk. Das haben die Bosl-Studenten in einer tollen Einstudierung von Cherie Trevaskis überzeugend aufgeführt.

Mit meinem Glückwunsch verbinde ich den Hinweis auf die neue Website, auf der viele Fotos und Informationen zu finden sind: www.heinz-bosl-stiftung.de

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