Spoerlis „Fille mal gardée“

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Zürich, 23/05/2002

Stippvisite bei Spoerlis zu Beginn der Spielzeit herausgebrachter „Fille mal gardée“ – seiner zwölften Produktion des Klassikers seit der Basler Premiere 1981. Wie viele Kreationen jenes Jahrgangs behaupten sich heute sonst noch im Repertoire? Ein sommerlicher Abend, volles Haus, ein quietschvergnügtes Publikum, die Tänzer voll drauf – das Stück taufrisch wie am ersten Tag: eine Vorstellung, die einfach Spaß macht (ohne sich je mit billigen Mätzchen anzubiedern). Eine handwerklich sauber gearbeitete Produktion, mit zahlreichen Schmunzeln machenden Details. Einfach (einfach?) gutes Theater!

Die Tänzer spielen ihre Rollen mit Gusto – auch das Corps de ballet. Denen sprüht die Lebensfreude aus Augen und Füssen. Mit Wonne stürzen sie sich in ihre kleinen Soli – nicht zuletzt die beiden strohblonden Russenzwillinge Serge und Oleksander Kirichenko. Auch der liebenswert verschusselte Gärtner von Nicolas Blanc. Und erst Francois Petit als Zappelphilipp Alain – das reinste Nervenbündel.

Die drei Hauptrollen – alles Klassetänzer: Dirk Segers als starrköpfige, gleichwohl nie maskulinisierte, durchaus wiederverheiratungsappetitliche Witwe Simone (es muss ja nicht unbedingt Jozef Varga als Winzergenossenschaftsvorsitzender Thomas sein), die überaus charmante, im Ausdruck sehr vielseitige Lara Radda als wie aus dem Ei gepellte Lise und Stanislav Jermakov als Colas – durchaus nicht bloß ein Bauer, sondern mit seinen tänzerischen Tugenden ein zukünftiger Gutsherr.

Im Gegensatz zu Ashton ist das eine ausgesprochen jugendfrische Produktion. Ich möchte Ashton ja keineswegs missen, aber dessen „Fille“ stellt eben ostentativ ihren Royal-Ballet-Nimbus aus – und nervt mich jedes Mal mit ihrem aufgedonnerten Musikarrangement von John Lanchbery. Spoerlis musikalische Bearbeitung stammt von Jean-Michel Damase, ist feiner instrumentiert, steuert durch die Revolutionslieder-Zitate eine willkommene Prise historisches Kolorit bei – und gibt sich insgesamt viel französischer. Am Pult an diesem Abend stand Davor Krnjak, einer unserer „vorbehaltlos solidarischen“ Ballettdirigenten. Zur Schonung des derzeit mit dem kompletten „Ring des Nibelungen“ befassten Orchesters spielt das Musikkollegium Winterthur.

Übrigens: noch in dieser Woche geht das Zürcher Ballett bis zum 16. Juni auf Japan-Tournee (mit Spoerlis „Romeo und Julia“ und den „Goldberg Variationen“) – und am 18. September tanzen die Zürcher dann – sicher Höhepunkt der Zürcher Spoerli-Balletära – die „Goldberg Variationen“ im Moskauer Bolschoi-Theater.

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