Premiere Tanzabend „Einstürzende Neubauten“

Schleswig-Holsteinisches Landestheater

Schleswig, 02/02/2002

Stela Korljan fing zu Beginn der Spielzeit 2000/01 am Schleswig-Holsteinischen Landestheater als Ballettdirektorin praktisch bei Null an. Ihr Vorgänger Sijbrand de Lange hatte die Sparte choreografisch kräftig heruntergewirtschaftet und ein desolates Ensemble hinterlassen. Korljan tauschte die Tänzer aus – wohl begünstigt durch einen Intendantenwechsel – und sorgte für ein offensichtlich gutes Training, denn die Neuen präsentieren sich technisch akzeptabel und konditionell den Anforderungen gewachsen.

Das wurde bei Korljans neuem Tanzabend „Einstürzende Neubauten“ deutlich, der das Durchhaltevermögen ihrer zehnköpfigen Compagnie enorm fordert. Auf einer in düsteren Farben gehaltenen, von hohen Wänden eingegrenzten Bühne (Ausstattung: Olga von Wahl) unternimmt sie den Versuch, zehn in halblange Mäntel gekleidete Überlebende einer Apokalypse zu einer „Entdeckungsreise“ zu führen, „der eigenen, der des Raumes und der des Anderen“, wie es in der Ankündigung heißt.

Keine Spur davon beim Bühnengeschehen. Oft, zu oft wischen die Bewegungen über die Musik hinweg, ignorieren deren Ablauf. Der brachialen Experimentierlust der Band „Einstürzende Neubauten“ hat Korljan nichts entgegenzusetzen: Sie bleibt brav mit einem unstrukturierten Sammelsurium aus klassischen Allerweltsschritten und angedeutet modernen Gesten. Die Ensemblenummern, durchweg unpräzis getanzt mit dauerndem Nachklappern, entwickeln keine Wucht, entfalten kaum je einen durchgestalteten Spannungsbogen, die Soli entbehren des individuellen Profils, von tiefergehendem Ausdruck ganz zu schweigen.

Der Song „Ein Stuhl in der Hölle“ wird mit einer doppelten Lufttour gekontert. Zu „Der Tod ist ein Dandy“ schickt Korljan Helge Freiberg und Tassiana Resende auf eine Schaukelfläche, auf der sie sich mühsam, immer um ihr Gleichgewicht besorgt, von einer Pose zur anderen hangeln. Bei der unterteilten „Blumennummer“ absolviert die begabte Resende auf Spitze ein läppisches Solo, konstruiert wie ein Übungsstück aus dem täglichen klassischen Training. Pietro Ferlito leidet entsetzlich (zu „Armenia“), wirft sich gegen eine Wand, streift die unfreiwillige Komik. Immer wieder werden unvermittelt zweistöckige bewegliche Gerüstteile nach vorn geschoben, wie wild gedreht, während jemand darauf herumturnt, oder zu einer Reihe zusammengestellt, durch die sich Menschen quälen.

So wurschtelt sich Stela Korljan durch den Abend, lässt die Zeit vergehen, anstatt sie zu gestalten. Das fällt umso mehr auf, als ihr noch die Persönlichkeiten mit „natürlicher“ Bühnenpräsenz fehlen. Tassiana Resende und Pietro Ferlito könnten auf dem Weg dorthin sein, wenn ihnen das richtige Bewegungsfutter gegeben wird. Echte Herausforderungen würden wohl auch den übrigen Tänzern des Ensembles auf die Sprünge helfen, die Fähigkeiten dazu scheinen sie zu haben. Das Publikum im knapp zu Zweidritteln besetzten Zuschauerraum applaudierte stürmisch, einige Bravos inbegriffen.

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