Manifestation zeitloser Cranko-Qualitäten

Zweitbesetzung der „Der Widerspenstigen Zähmung“ in München

Dank Lisa-Maree Cullums und Alen Bottainis tänzerischer Stärke und exzellenter Rollenarbeit wirkte „Der Widerspenstigen Zähmung“ frisch wie am ersten Tag.

München, 01/02/2002

Nachdem die Neueinstudierung mit Judith Turos und Kirill Melnikov solide über die Bühne gegangen war, führte die zweite Besetzung der alten Klamotte frisches Blut zu. Beim Debüt von Lisa Cullum musste man gespannt sein, was die stets technisch saubere Ballerina aus der „Widerspenstigen“ machen könnte. Zwar begann sie vergleichsweise blass, sodass man nicht recht sah, weshalb die drei Freier Biancas so ramponiert aus der ersten Begegnung mit Katharina hervorgingen. Aber schon beim Angriff auf ihre Schwester beeindruckte Lisa Cullum mit leichten, hohen Jetés und schnellen Drehungen. Im ersten Pas de deux mit Alen Bottaini als neuem Petrucchio, der mit seiner unbändigen Kraft und seiner Lässigkeit äußerst sympathisch wirkte, schafften es beide, den schwierigen Übergang vom Kampf zur aufkeimenden Zuneigung makellos, glaubhaft und voller Poesie zu zeigen.

Von da an entfaltete die Choreografie ihre Reize: Cranko löst das Publikum aus der beginnenden Bezauberung, indem er das spielfreudige Corps de ballet kichernd die Kunde von Katharinas Wandlung verbreiten und uns über einen grotesken Pas de trois der Freier Biancas lachen lässt. Es folgt die spektakuläre Hochzeit von Katharina und Petrucchio, die mit Cullum und Bottaini ein exakt herausgearbeitetes Feuerwerk urkomischer Schritte wurde. Keine Frage, dass die kürzlich der Obsolenz geziehene Choreografie, mit diesem Schwung geboten, über derlei Urteile erhaben ist. Ungewöhnlich starker Applaus zur Pause.

Lisa Cullum agierte in den eher darstellerischen Passagen des zweiten Aktes mit dem berühmten Ritt und dem Spuk mit Petrucchios famosen Dienern beinahe übermütig. Die amüsanten Mesalliancen Gremios (Norbert Graf) und Hortensios (Patrick Teschner) mit den Freudenmädchen Valentina Divina und Beate Vollack und der Pas de six verstärkten den Eindruck einer hervorragenden Ensembleleistung. Ein Aktivposten auch Gremio-Debütant Norbert Graf, der fantasievoll jedem Schritt sein komisches Potenzial entlockte. Auch Michelle Nossiter fand sich als Bianca mehr in ihre Rolle, tanzte z.B. klar differenzierte Reaktionen auf die Geschenke ihrer Freier. Entscheidend für das Gelingen ist aber die Virtuosität des Hauptpaares. Denn der Schluss-Pas-de-deux muss offenbaren, welch schöne Möglichkeiten die ganze Zeit über (auch tänzerisch) in beiden latent vorhanden war. Alen Bottaini mit seiner Präzision und Kraft und Lisa Cullum mit ihrer faszinierenden Schwerelosigkeit in Hebungen, schnellen Schritten und ihren edlen Port de bras hatten für dieses Ziel viel zu bieten.

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