Schweigen und Tanzen

Ein Solotanzabend mit Christine Chu

Stuttgart, 14/07/2006

Bei einigen Projekten der freien Szene in und um Stuttgart war sie bereits dabei, jetzt hat die Tänzerin Christine Chu im kleinen Stuttgarter Theater Rampe ihren ersten Soloabend verwirklicht. „Von Glück und Glücken“ lebt choreografisch ganz aus dem Tanztheater der Folkwang-Tradition, dessen Metaphern die Deutsche mit koreanischen Wurzeln aber durchaus eigenwillig umsetzt. Der erste Teil, das halbstündige „Halmoni“, ist eine Reminiszenz an die blumenliebende koreanische Großmutter der Choreografin. Und tatsächlich trippelt in einem weiten, asiatisch geschnittenen Kleid eine gebeugte Frau herein, die später einen Strauß aus bunten Gerbera über die Bühne verstreut. Ein wenig verloren wirkt das Zwitterwesen aus Oma und Kind, das suchend und staunend seine Großstadtumwelt zur Kenntnis nimmt – und doch so glücklich, ganz in sein eigene Welt voller Blumen versunken.

Zum zweiten, fast einstündigen Stück „Vom Glücken des Tages“ erklingt ein Text von Peter Handke. Auf Band gesprochen hat ihn klar und ausdrucksvoll Schauspieler Ben Becker, dessen rauchiger Bass so tief im Hals sitzt, dass er in den Magen zu fallen droht. Zu Sätzen aus Handkes „Versuch über den geglückten Tag“ entwickelt die Tänzerin, jetzt in Kostüm und hohen Absätzen, eine Art Sprache der Hände, die Taubstummengebärden mit Stewardessen-Winken und Elementen der klassischen Ballettpantomime mischt. Als würde sie Handkes Text simultan übersetzen, erzählt sie mit ihren Händen, deutet auf ihren Bauch, malt sich „die Linie der Schönheit und Anmut“ auf den Körper, von der Becker erzählt. Auf der Suche nach dem geglückten Tag malt sie den ganzen Boden mit Kreide voll, einmal mit einem großen Kinderschiff, in dem sie dann traurig sitzt. Wie der Schriftsteller testet auch die Choreografin verschiedene Ansätze aus und bricht sie immer wieder ab; Text und Tanz ergänzen sich sehr gut, aber Christine Chu illustriert den Text eher als dass sie ihm mit einem eigenen Entwurf gegenübertritt.

So, wie die Tänzerin anfangs buchstäblich um sich selbst kreist, am Boden liegend und mit einer Kreide Linien um sich ziehend, so kreist der Text schließlich endlos um sich selbst, fragt so enervierend oft nach dem geglückten Tag, dass man ahnt, warum der Autor ihn nicht finden kann. Bis endlich der Song „What a difference a day makes“ einsetzt, mutmaßlich nicht ganz im Sinne Peter Handkes, aber irgendwie doch passend. Langsam, wie in Trance tanzt Christine Chu mit sich alleine – das Glück liegt im Schweigen und im Tanzen.

 

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