arte: Dance Celebration!

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Stuttgart, 27/11/2002

Hier muss einmal ein großes Lob ausgesprochen werden: für den Sender arte und sein Tanzengagement! Fast hat sich hier so etwas wie ein jour fixe herausgebildet: der Sonntagabend, viertel nach acht, eine halbe Stunde, die dem Tanz gewidmet ist. Nicht immer, aber doch fast immer kann man damit rechnen, dass hier Tanz stattfindet – viel Pop-Tanz, mit besonderer Vorliebe für Hip-Hop, aber doch auch die anderen Sparten sind immer mal wieder vertreten, wobei die Vorliebe für französisch Zeitgenössisches offensichtlich ist. Und dann sind da noch die Mittwochabende, an denen im Hauptprogramm die Musik im Mittelpunkt steht. Das ist oft eine Oper oder ein Konzert, beziehungsweise ein Komponist oder sonst ein primär musikalisch orientiertes Thema. Doch immer mal wieder kommt dort auch der Tanz zum Zuge.

So auch in dieser Woche, mit einer Live-Übertragung aus der Maison de la Danse in Lyon: fast zwei Stunden Tanz unter dem Titel „Dance Celebration“, arrangiert von Guy Darnet, dem Leiter der lokalen Tanzbiennale. Der hatte acht Choreografen eingeladen mit Ausschnitten aus ihren Arbeiten – und die war so geschickt und so gegensätzlich getroffen, dass man wieder einmal beglückt feststellte, wie vielseitig doch heute das internationale Tanzangebot ist. Das ging gleich los mit der frech-schrillen Cartoon-Nummer „Babette Heureuse“ von José Montalvo und Dominique Hervieu aus Crétail bei Paris, einem spritzigen Mix aus Hip-Hop und Klassik, von den Tänzern ihres Ensembles dargeboten, dass die Funken stoben. Und als totaler Gegensatz gleich darauf eine Meditationsstudie des Chinesen Lin Li-Chen für ein Paar, eigentlich ein Solo für zwei, die mit ihren Slow-Motion-Movements eine sich ständig verändernde Körperskulptur bildeten – von berückender Reinheit und getanzt wie in Trance.

Und so ging es weiter durch das Nonstop-Programm. Im Anschluss daran kamen die beiden Stars des Royal Ballet zum Zuge, Darcy Bussell und Jonathan Cope mit dem zentralen Pas de deux aus Christopher Wheeldons „Tryst“ – ganz neoklassische Studie einer sehr coolen Paarbeziehung, ohne jeglichen Anflug eines emotionalen Engagements – eher amerikanisch als englisch timbriert, von einer schnittigen Eleganz. Auch Spanien war vertreten: durch Andrés Marin als Botschafter des Flamenco – Amerika gleich zweimal: Bill T. Jones mit seinem Stück „Black Suzanne“, das nicht zuletzt durch die wilden Frisuren seiner in flammendem Rot über die Bühne stiebenden Amazonen beeindruckte, und Karole Armitage, der „Punk-Ballerina“ (na ja!), mit ihren schwarzen Figuren, die Männer mit schwarz verhüllten Köpfen, dass sie aussehen ließ wie Florettfechter (und mich an ein viel lustigeres Stück von Paul Taylor erinnerte: „Three Epitaphs“).

Eher erstaunlich, dass der ja gerade auch in Frankreich so populäre William Forsythe nicht beteiligt war. Dafür aber zwei andere Top-Repräsentanten aus der europäischen Premier Liga: John Neumeier mit dem Verführungs-Pas-de-deux aus „Nijinsky“, der eigentlich ein Pas de deux zu dritt ist, denn zwischen Romola und Nijinsky (Anna Polikarpova und Jiří Bubeníček) schiebt sich immer wieder der Faun (war es Otto Bubeníček, wie jüngst so hinreißend in Baden-Baden) und Jiri Kylian mit dem Pas de deux „One of a Kind“, dessen enigmatischer Titel stimmiger „Two of a Kind“ heißen müsste.

Der Titel- und Personenabspann wurde wieder so rasant abgespult – verständlich bei der Fülle der Namen, aber doch bedauerlich, weil man da mit dem Lesen unmöglich mitkommt Jedenfalls Tanz satt an diesem Mittwochabend bei arte. Merci bien!

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