Gsovsky Saal des Bayerischen Staatsballetts
Gsovsky Saal des Bayerischen Staatsballetts

Zum Tod von Dieter Gackstetter

Pick bloggt über den Tänzer, der Ballettdirektor und zum Intendant wurde

Günter Pick wirft einen Rückblick auf Dieter Gackstetters Karriere und schreibt dabei über ein Stück Tanzgeschichte.

München, 19/06/2017

Dieter Gackstetter war ein Tänzer der alten Schule im Ballett der Münchner Staatsoper, und zwar zu einer Zeit, als das Ensemble noch fast ausschließlich aus deutschen Tänzern bestand (erst unter der Leitung von John Cranko wurde es für Tänzer aus dem Ausland wirklich interessant). Ich lernte diesen lebenslustigen Mann, der mit sportlichem Elan jeden Morgen an der Stange stand, gute Laune verbreitete, wie für einen Wettbewerb Pirouetten drehte und sich kindlich freuen konnte, wenn er ein Dutzend mehr oder weniger gut hinbekam, in Bayreuth kennen. Das war während der Festspiele, als Wieland Wagner den „Tannhäuser“ mit einer neuen Choreografie von Birgit Cullberg wiederaufnahm. Es war zu der Zeit, als Heinz Rosen als Ballettdirektor an der Bayerischen Staatsoper tätig war (Rosen war der Erste, der eine Ballettwoche mit internationalen Gästen veranstaltete).

Dieter entschloss sich dann relativ früh dem Tanz adieu zu sagen und studierte an der Uni München, um dann wieder an der Bayerischen Staatsoper Mitglied der Dramaturgie zu werden. Diese Seite des Theaters hat ihn bis zu seinem Lebensende interessiert. Heinz Rosen verließ quasi über Nacht die Staatsoper, deren Intendant zu der Zeit noch der geniale Regisseur Günther Rennert war. Was das Ballett betraf, begannen unruhige Zeiten, denn Crankos Engagement in München stand – bis auf die Wiederaufnahmen seiner großen abendfüllenden Ballette – unter keinem guten Stern. Und auch Ronald Hynds Direktion über zwei Spielzeiten endete abrupt, so dass Gackstetter die Leitung des Balletts von September 1973 bis August 1975 zunächst kommissarisch, dann ab der Spielzeit 1975/76 bis Ende August 1978 als Ballettdirektor übernahm.

Es gelang ihm schnell durch Gastchoreografen wie John Neumeier und Jerome Robbins (der geschworen hatte, nie in Deutschland zu arbeiten), ein gutes Repertoire aufzubauen und internationale Aufmerksamkeit zu erlangen. So wurde er zum Darling der Münchner Presse und seine ersten eigenen Choreografien kamen auch beim Publikum gut an. Ich erinnere mich nur wirklich gut an „Die Zofen“ von Dieter Gackstetter mit Musik von Walter Haupt, die er 1977 uraufführte. Stilistisch war er durchaus Maurice Béjart verpflichtet, bei dem er auch ein kurzes Engagement absolviert hatte. Sein Rilke-Ballett im großen Haus zeigte jedoch, dass er sich damit übernommen hatte, obwohl die Beteiligten wie Bühnenbildner etc. Weltstars waren. Und wie nicht anders zu erwarten, ließ die Presse ihn sofort im Regen stehen. Es war sicher ein Fehler, sich selbst in die erste Reihe von Choreografen zu stellen, denn er war eher ein Regisseur als ein Choreograf.

Hoch intelligent und sehr gut vernetzt hatte er keine Schwierigkeiten, sich anderweitig Gelegenheiten zu schöpferischer Arbeit zu besorgen. Er arbeitete zum Beispiel mit Rainer Werner Fassbinder bei den Filmen „Lili Marleen“, „Lola“ und „Querelle“ zusammen, der wie Dieter jeden Abend in der „Deutschen Eiche“ zu finden war (wo übrigens auch Cranko und Erich Walter, wenn sie in München arbeiteten, im dazugehörigen Hotel wohnten). Bekannt wurde er aber besonders durch den Ballettfilm „Anna“, der sich auf die TV-Serie bezog – überhaupt war er beim Bayerischen Fernsehen ein gern gesehener Gast.

Schließlich wurde er Intendant des Coburger Theaters. Er engagierte einen begabten Choreografen namens Mike Salomon, der allerdings mit dem falschen Fuß sein Engagement antrat, indem er mit seinem Ensemble das Publikum darauf aufmerksam machte, dass die Arbeitsbedingungen (der Ballettsaal hatte die Größe eines Büros) inakzeptabel seien. Das entsprach zwar der Realität, fand aber nirgendwo Gehör. Die fünf Spielzeiten waren sonst allerdings recht erfolgreich, gute Auslastungszahlen wurden erreicht, vor allem mit den Musicals, die Dieter selbst inszenierte. Auch eine Operette habe ich gesehen. Dieter hat es geschafft, mit witzigen Inszenierungen ein junges Publikum in das vorher doch recht verstaubte Abo zu locken. Es wurde ein neues Probenhaus gebaut, aber der Ballettsaal vergessen. Schließlich blieb die Sparte ganz auf der Strecke.



Er zog sich dann aus der Öffentlichkeit zurück. Eine Krebserkrankung hat ihm das Leben auch nicht gerade leichter gemacht, aber immerhin hatte er zehn Jahre etwas von seinem Ruhestand. Außerdem hat er ein Buch geschrieben: „Ballett und Tanztheater“, das im Nymphenburger Verlag erschien, wo früher ein halbes Dutzend Bücher von Max Niehaus, mit dem er befreundet war, mit ähnlichen Titeln herauskamen.

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