Zehn Jahre Faust

Pick bloggt über eine gelungene Preisverleihung in Saarbrücken

Die Sparte Tanz ist beim Faust gut vertreten und das Ensemble des Saarländischen Staatstheaters rundete den kurzweiligen Abend mit einem Ausschnitt aus „Cacti“ mit Live-Musik aus dem neuen Ballettabend ab.

Saarbrücken, 17/11/2015

Aus dem Fäustchen, das in Essen die Bühne erobern wollte, ist eine schlagfertige Faust geworden und die ganze Republik schaut hin! Die Theaterschaffenden aller Sparten treffen sich vor allem aus diesem Anlass – was fast besser ist als ein Festival. Wer hat schon so viel Zeit, länger als ein Wochenende über seinen eigenen Tellerrand zu gucken, aber beim Faust kann man alle Jahre wieder Freunde mal kurz zu sehen und neue Kontakte zu knüpfen.

Ich glaube, ich war so ziemlich bei allen dabei und wenn ich den gestrigen Abend – wo die Akteure sich in einer sich drehenden Dekoration des „Rings“, der am folgenden Tag gespielt wurde, auf mehreren Ebenen bewegen mussten, was sie mit Heiterkeit absolvierten – mit einer Verleihung im Opernhaus Frankfurt vergleiche, kann ich der Intendantin Dagmar Schlingmann und ihren Mitarbeitern nur meine Reverenz erweisen. Ein Dekor, das aussah, als ob es zur Feier angefertigt sei – mit Drehbühne und passenden Portalen inklusive der Filmleinwand und entsprechenden Projektionen auf die makellosen Wände. Alles vom Feinsten!

Die Intendantin und die Präsidentin des Bühnenvereins, Prof. Barbara Kisseler, – im Übrigen seit langem mal eine politische Vertreterin in diesem Amt, nämlich die Kultursenatorin der Hansestadt Hamburg – sprach vor dem vollen Auditorium ergriffen über die schrecklichen Terroranschläge in Paris und man erhob sich von Plätzen. Aber die Senatorin, die ihre Herkunft aus dem westlichen Teil Deutschlands (Ruhrpott) nicht verleugnet, ist offenbar kein Kind von Traurigkeit und so wurde dieses Gespräch mit dem Schauspieler Bernd Moss, der übrigens äußerst lebendig durch den Abend führte, ein ernster Spaß.

Neun Preise waren zu vergeben und ich verspreche nicht alle aufzuzählen. Ich fange mal mit dem Preis für das „Lebenswerk“ an, der am Ende vergeben wurde, als wir froh waren, dem 96-jährigen Franz Mazura nach zwei Stunden stehend Ovation erweisen zu dürfen. Ein Sänger/Darsteller der alten Schule, der seit zig Jahre dem Ensemble der Mannheimer Oper angehört, wenn er nicht an der Met, der Scala oder auch in Stockholm die Gurre-Lieder höchst kompetent erklingen lässt, wie die Regisseurin Andrea Moses in ihrer Laudatio unprätentiös erwähnte. Sie ist viel zu jung, um ihn aus seiner Glanzzeit in z. B. Bayreuth zu kennen, aber es spricht für sie, dass Mazura sie bat, sein Loblied anzustimmen.

Die Sparte Tanz ist beim Faust gut vertreten und das Ensemble des Saarländischen Staatstheaters rundete den kurzweiligen Abend mit einem Ausschnitt aus „Cacti“ mit Live-Musik aus dem neuen Ballettabend ab. Für den Choreografie-Preis waren Jan Pusch, Helena Waldmann und Bridgid Breiner nominiert; eine gute Auswahl unserer weit gefächerten Tanzszene. Und letztere hatte das Vergnügen schon zum zweiten Mal die Trophäe nach Gelsenkirchen mitzunehmen.

Als Tänzer-Darsteller/in waren nominiert: Kusha Alexi, Renate Graziadei und Alicia Amatriain, die leider auf Gastspielreise war, so dass Demis Volpi den Preis sehr bescheiden für die spanische Top-Ballerina – in Stuttgart verwurzelt – entgegennahm. Ich denke, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der junge Überbringer sich selbst den Preis für Choreografie abholen kann.

Eine Produktion fand besondere Gunst bei der Jury, und zwar „Die Soldaten“ von B. A. Zimmermann, die in Köln uraufgeführt wurde, als das Opernhaus noch ziemlich neu war. Die Kölner nannten es respektlos das „Grabmal des unbekannten Intendanten“ und die Ballerina Helga Held war sich nicht zu schade an der wüsten Orgie teilzunehmen. Ich hab‘s mit eigenen Augen gesehen, wie auch heuer die Premiere in München, für die die Sängerin der Marie, Barbara Hannigan, den Preis bekam und Harald B. Thor einen für das geniale Bühnenbild. Eine Oper mit Musik, von der ich annahm, dass sie nach der Uraufführungsserie nie wieder gespielt werden würde. Daran sieht und hört man, wie sich unsere Rezeption von neuer Musik mit einem guten Sujet doch verändert hat.

Alles in allem ein sehr gelungener Abend, der weit unter drei Stunden blieb, Bravo! Ein kleiner Wermutstropfen bleibt, gerade weil ich den Spitznamen der Kölner Oper verraten habe: Frau Schlingmann kommt in keiner der ansonsten hervorragenden Schriften zu dieser Gala vor, oder fehlte in meiner Mappe etwas?

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