„Romeo und Julia“ der Tanzkompanie bo komplex

„Romeo und Julia“ der Tanzkompanie bo komplex

Mit Mut beschritten

Pick bloggt: Über Bärbel Stenzenberger und Karel Vanek

Die Bonner Freie Szene ist besonders rührig. Was wohl damit zusammenhängt, dass seit dem abrupten Ende der Sparte an den Städtischen Bühnen einige Tänzer aus der erfolgreichen Zeit von Pavel Mikulastik und Hans Kresnik dort geblieben sind.

Bonn, 24/02/2015

Die Bonner Freie Szene ist besonders rührig, was den Tanz betrifft. Was wohl damit zusammenhängt, dass seit dem abrupten Ende der Sparte an den Städtischen Bühnen einige Tänzer aus der erfolgreichen Zeit der Choreografen Pavel Mikulastik und seines ehemaligen Mentors und Erfinders des Deutschen Tanztheaters Hans Kresnik in Bonn geblieben sind und dazu beigetragen haben, dass es zwei gute Spielstätten gibt, die sich dem Tanz verpflichtet fühlen, nämlich die Brotfabrik in Beuel und das Theater im Ballsaal in Enterich.

Zwei neuere Produktionen in der Brotfabrik habe ich kürzlich gesehen, die mich durch den Mut beeindruckt haben, Wege zu beschreiten, die durchaus nicht ausgetreten sind. Schon der Titel, den Bärbel Stenzenberger für ihre Choreografie wählt – „Romeo und Julia“ –, ist in der Freien Szene ja wirklich eine Überraschung und selbst mittlere Häuser – wie Augsburg, dessen letzte Produktion in der von mir als sehr gelungen beschriebenen Choreografie von Young Sung Hue – hat Mühe ein solches Stück auf die Bühne zu bringen. Was im Übrigen für die anderen Sparten dieser Theater nicht minder aufwendig ist.

Deshalb finde ich es besonders mutig, sich mit diesem Dauerbrenner des Theaters im Kammer-Tanz auseinanderzusetzen. Natürlich kann sie die Geschichte nicht eins zu eins umsetzen, und das will sie auch nicht, sondern sie konzentriert sich auf die Titelfiguren. Romeo und Julia werden mittels dreier Paare unterschiedlichen Alters dargestellt, für die Entwicklungsphasen dieses unsterblichen Liebespaares. Dabei ist ihr offenbar ziemlich egal, dass die beiden am Ende als Leichen hinter einem Vorhang zu verschwinden hätten. Nein, das älteste Paar bleibt nach einer Zeitlupe eingefroren und wird auf eine Reise in die Ewigkeit geschickt. Bärbel Stenzenberger tanzt selbst diese alternde Julia mit dem überzeugenden Partner Olaf Reinecke. Die beiden hatten mich schon vor diesem Ende an Philemon und Baucis erinnert. Wie gesagt, ich finde das Unternehmen vom Ansatz her sehr gelungen, aber leider dramaturgisch nicht immer konsequent: wenn beispielsweise die drei Paare in einem Tanz mit Masken, die sie übrigens schon mal zu Anfang des Abends tragen, höfisch zelebrieren. Ohne Grund verfallen sie in eine, wenn auch sehr dekorative Gruppenchoreografie, ohne die Charaktere sich weiter entwickeln zu lassen.

Ein durch Projektionen aufwändig gestalteter, manchmal gehäkelter Raum von Lieve Vanderschaeve geben den beiden anderen Paaren genügend Platz, sich ungestüm auszutoben oder ihrer Verzweiflung Ausdruck zu verleihen. Wie auch die speziell für dieses Projekt erarbeitete Musik von Philip Roscher, der den Ohrwurm von Nino Rota geschickt verarbeitet – und wenn Thomas Brasch von Weitem dabei ist, trägt all dies zum Gelingen bei.

Einen ganz anderen Weg schlägt Karel Vanek mit seinem dramaturgischen Mitarbeiter Guido Preuss ein. Hier geht es nicht um ein Drama, aber nicht weniger Theater machen die beiden Protagonisten, die sich aus den beiden eben erwähnten Erfindern zusammensetzen. Sie tanzen, spielen Musik, sprechen deutsche (!) Texte, die manchmal ins Absurde gleiten. Der Titel ist „Machine of Disire“ und, falls man die Unterzeile beachtet hat, wird schnell klar, dass hier über eine „musikalisch-tänzerische Gesamt-Therapie“ von und über Theater in seinen vielen Facetten nachgedacht worden ist und man sich besser nicht allzu ernst nehmen soll.

Guido Preuss spielt Klaviermusik von Karol Schimanowski, ehe er sich herablässt seinem Partner den großen roten Vorhang zu öffnen, und Karel wird später im Zwei-Finger-Suchsystem dem Pianisten Paroli bieten. Beide werden trommeln und sich bewegen, mal horizontal, mal vertikal, und verschmitzte Körper-Späße machen, die dem Publikum mal mehr, mal weniger lautes Lachen entlocken. Es wäre müßig, solch ein Fest an Ideen beschreiben zu wollen. Manchmal musste ich an den großen Marcel Marceau denken. Merce Cunningham, ein anderes Extrem von absurdem Tanz, kam mir durchaus in Erinnerung. Mit Sicherheit war kein solcher Gedanke bei den Schöpfern, aber die Traurigkeit des großen Pantomimen ist Karel von Natur aus gegeben und die kleine Schizophrenie der beiden kann rühren aber auch zu großem Vergnügen mit Schmunzeln oder gar Gelächter herausfordern. Ich hatte keine Mühe, mich zu entscheiden. Ein großer Abend, der den kleinen Rahmen sprengt und in Erinnerung bleibt, weil so anders und ehrlich, wie selten.

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