„UseYourName“ im AckerStadtPalast Berlin

„UseYourName“ im AckerStadtPalast Berlin

Schutz bietet nur die nackte Haut allein

„UseYourName“ mit Na Hoon Park, Yaron Shamir und Vito Alfarano im AckerStadtPalast

In einem Trio begeben sich die Choreografen auf die Suche nach ihren Identitäten - im Berliner AckerStadtPalast, einem Hinterhof-Theater, in dem der Geist der freien Szene sympathisch und originell weht, weil er sich noch nicht hat vertreiben lassen

Berlin, 09/02/2015

Vito Alfarano aus Italien mag Schweine, der koreanische Tänzer Na Hoon Park steht zwischen zwei Türen und der in Berlin lebende Yaron Shamir aus Israel versucht mit minimalen Lichtquellen einen dunklen Traum zu erhellen.

Die drei Choreografen begeben sich im abschließenden Trio „UseYourName“, das auf ihre drei Soli folgt, auf die Suche nach ihren Identitäten, beziehungsweise nach dem, was sie dafür halten. Das Ganze ist ein Abend im Berliner AckerStadtPalast, einem Hinterhof-Theater, in dem der Geist der freien Szene sympathisch und originell weht, weil er sich noch nicht hat vertreiben lassen vom abgekupferten Stadt- und Staatstheatergehabe, wie man es leider inzwischen immer öfter da antrifft, wo einst der freie Wille unangepasster Kunst des vollen Risikos konstruktiv und konspirativ zugleich wehte.

Zunächst Vito Alfarano mit dem Solo „I like pigs“. Ein Mann, ein kleines Gummischweinchen und ein Luftballon. Mit stoischer Ruhe blickt der Tänzer ins Publikum, fixiert auch hier und da mal die lautesten der Lacher, bevor er alle bittet, die Luftballons, die man am Eingang erhalten hatte, aufzublasen. Geräusch kontra Stille, da gibt es schon die ersten spannenden Momente: was bewegt den Körper, was lässt den immer stärker in intensive Bewegung geratenden Tänzerkraft der Energie eines Einzelnen – das gesamte Publikum in ein konzentriertes Gefühl einer außerordentlichen Wahrnehmung versetzen?

Aus dem Kontrast zwischen Bewegung und Stillstand, zwischen Sound und Stille, schwingt Vito Alfarano unvermittelt um in eine skurrile Performance und demonstriert uns wie sehr er sein Schwein mag, indem er auf dem kleinen Gummitierchen eindeutige Reitbewegungen vollführt, die dem Quitscheschweinchen orgiastische Töne entlocken. Nach diesem Exkurs in Sachen „Schweinephilie“ entschwindet der Tänzer, der sein auf einen Ballon gemaltes Gesicht jetzt zwischen den Knien hält. Das Solo mit einigen faszinierenden Tanzsequenzen entlässt das Publikum in amüsierter Ratlosigkeit.

Keine Zeit, sich dem weiter hinzugeben, denn schon betritt der Tänzer Ha Hoon Park aus Südkorea die freie Szene und lässt mit einem geschwungenen Seil wunderbare, sich schlängelnde Linien entstehen. Dann lässt er im Tanz Linien bewegen, die in gedanklicher Fortführung seitens des Publikums den Raum einnehmen. Bald nimmt man wahr, dass der Tänzer die Energie seiner Performance „The two doors“ daraus bezieht, dass in seinem Körper so etwas wie ein Richtungsstreit ausgebrochen ist. Ob es dazu der verbalen Kommentierungen Ja oder Nein, links oder rechts bedurft hätte, kann man fragen, da die Bildhaftigkeit stark genug ist. In einer possierlichen, minimalistischen Projektion geht es ums Fressen und gefressen werden, um den Kampf eines großen und eines kleinen Fisches, scharfe Zähne haben beide. Für welche der beiden Türen sich der Tänzer entscheiden wird, bleibt unklar, es sei denn er entscheidet sich für keine und nimmt das Seil wieder auf und probiert es weiter im beweglichen Gang des eleganten Schlingerns durch's Leben zu tanzen und weder durch die eine, noch durch die andere Tür zu verschwinden.

„Dream F.M.“ heißt das Solo von Yaron Shamir, zu dem erst mal das ganze Theater vernebelt wird. Dann kann man langsam die schemenhaften Umrisse eines menschlichen Wesens erkennen, wie gefesselt an einem monströsen Stuhl, man mag an Folterszenen denken oder noch schlimmer, man stellt sich vor, dass hier ein Todeskandidat sitzt. Zu melancholischer Musik von Hossein Alīzādeh aus Persien und Djivan Gasparyan aus Armenien nutzt der Tänzer jeweils kleinste Lichtquellen. Unter dem minimalen Schein mehrerer kleiner Leuchten, die er auf Partien seines Körpers richtet, nimmt man so etwas wie eine Befreiungsperformance wahr, die darin endet, dass der Tänzer für einen Moment aus dem Schatten seines eigenen Lichtbildes tritt und den beinahe aufrechten Gang probiert.

Nach diesen drei Versuchen auf der Suche nach sich selbst begeben sich die Tänzer noch einmal als Trio in einen Wettlauf, an dessen Ziel vielleicht die Antwort auf die Frage gegeben wird, welche Haut zu jedem passe. Sinnbild sind die weißen Anzüge, die den Schein von Seriosität und Reinheit vermitteln sollen und die alle drei nutzen, um die Identität der verletzlichen Haut zu verbergen. Sie sind allein auf die Bewegung, auf den Tanz, auf das wortlose Miteinander, Gegeneinander oder Füreinander angewiesen. Ihre Münder sind verschlossen von einer Fessel um den Kopf, die etwas wie einen Ball gegen die Zunge drückt. Sie versuchen ihre Bewegungen zu koordinieren, um in synchrone Abläufe zu gelangen und dann wieder ausbrechen. Sie ziehen die weißen Jacken über die Köpfe und in dieser Art der Unkenntlichkeit werden sie zu monströsen, kopflosen Wesen. Sie finden zusammenn und verschmelzen zu einem Untier mit drei Köpfen, sechs Armen und Beinen und dennoch auf der Stelle treten. Bis sich der Tänzer Yaron Shamir annimmt, die zweite Haut aus Konfektion und Zeitgeist ablegt und für einen Moment nackt, in der Haltung eines gekreuzigten Menschens als starkes Bild der Hoffnung posiert. Diese Kraft der Individualität wächst in dem Maße wie es ihm gelingt, sich zur eigenen Schutzlosigkeit zu bekennen. So führt dieser Abend nach drei solistischen Performances die drei Tänzer zusammen, mit dem Ziel, die Würde des Einzelnen ins Licht zu stellen.

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