Beim „Battle of Styles“ trifft klassisches Ballett auf zeitgenössischen Tanz: Joseph Hernandez, Tänzer des Semperoper Balletts, und Sonoko Kamimura, Tänzerin der Forsythe Company

Beim „Battle of Styles“ trifft klassisches Ballett auf zeitgenössischen Tanz: Joseph Hernandez, Tänzer des Semperoper Balletts, und Sonoko Kamimura, Tänzerin der Forsythe Company

Gut für den Tanz, gut für Dresden

Mit „Floor on Fire - Battle of Styles“ startet in Hellerau ein neues Format

In Flammen stand das Festspielhaus in Hellerau am Sonnabend nicht. Die Flammen der Begeisterung aber loderten kräftig bei der ersten Ausgabe des neuen Formats „Floor on Fire“.

Dresden, 02/02/2015

In Flammen stand das Festspielhaus in Hellerau am Sonnabend nicht. Die Flammen der Begeisterung aber loderten kräftig bei der ersten Ausgabe des neuen Formats „Floor on Fire“. Falls der Titel angelehnt ist an den gleichnamigen Song samt Video mit entflammtem Boden rund um den aus Kuba stammenden, amerikanischen Rapper Pitbul, blieb es in Hellerau erstaunlich friedlich beim ersten Kampf der Stile auf heißem Boden, was ja bei Pitbul nicht immer der Fall ist.

Das Publikum blickt wie in einer Arena von ansteigenden Tribünen auf den Kreis des Geschehens. Hier wird gekämpft, nicht Gladiatoren, sondern Tänzerinnen und Tänzer gegeneinander, miteinander und letztlich gemeinsam für die Tanzbegeisterten auf den Tribünen, denn sie sind die eigentlichen Gewinner. Mit dem Format könnten nämlich Genregrenzen hinfälliger werden. Der Ballettfan dürfte nicht schlecht staunen über die Virtuosität der Breakdancer. Genauso dürfte es deren Fans gehen, wenn sie so verblüfft wie begeistert sehen, dass weder Spitzentanz, noch Pirouetten, Grand jetés, von den Wahnsinnssprüngen der „klassischen“ Tänzer ganz zu schweigen, veraltet sind. Im Gegenteil, sie entsprechen etlichen Maßgaben ihrer Tanzstile.

Breakdancer stellen sich mit ihren Varianten der Drehungen um die eigene Achse bewusst oder unbewusst in Traditionen des Tanzes. Sie stellen das Ballett auf den Kopf, wenn sie beim „Head Spin“ auf demselben rotieren. Wer bei den Variationen des HipHop und Breakdance Motive und Zitate der Pantomime entdeckt, liegt nicht falsch. Auch hier geht es um die wortlose Kommunikation, auch hier können die Körper schweigen, flüstern, lachen, weinen oder ungehemmt ihre Emotionen kraft der Bewegung herausschreien.

Ballett und Breakdance – in diesem Falle vertreten durch Alice Mariani, István Simon und Joseph Hernandez vom Semperoper Ballett und Laura Busquets Garro vom Ballett Rossa aus Halle im Gegenüber zu Lehmi, Kelox, Anton und Rossi als Mitglieder der Sächsischen Vernetzung verschiedener Breakdance Formationen unter dem Namen „The Saxonz“ – gehen dabei eine spannende Beziehung ein. Dazu gesellten sich im Festspielhaus zu Hellerau, wo vor hundert Jahren die Schule der rhythmischen Gymnastik ihre Impulse für die Erneuerung des Tanzes in die Welt der Moderne sandte, die jetzigen Vertreterinnen und Vertreter des zeitgenössischen Tanzes, um sich in diesem Kräftemessen der Tanzstile zu behaupten. Zwei Gruppen traten in die Arena, vornehmlich Tänzerinnen und Tänzer der Vereinigung TanzNetzDresden mit den Gästen Yeri Anarika Vargas Sanches, ehemals Mitglied bei Dorky Park von Constanza Macras, sowie Sonoko Kamimura und Takuya Fujisawa als Gasttänzer der Forsythe Company. Die beiden haben schon mal einen Vorteil, denn sie lassen sehr schnell erkennen, dass sie in vielen Stilen zu Hause sind und so können sie mit ihrem reichen Repertoire blitzschnell und lustvoll in der Improvisation überzeugen, was sie ohne Wenn und Aber in die Endrunde bringt.

Bis dahin galt es in mehreren Runden bei Mischungen der Stile gegeneinander zu tanzen, wobei das Miteinander, die Korrespondenzen, die Sensibilitäten ohne Verlust der Identitäten die Jury stets am stärksten überzeugte und ihre vom Publikum ohne wahrnehmbaren Widerstand gefällten Entscheidungen bestimmte. Vier anerkannte Fachvertreter der verschiedenen Tanzformen und ein per Zufall gewählter Vertreter des Publikums gehörten der Jury an. Im weiteren Verlauf des Wettstreites konnte jeweils die Gruppe der „Gewinner“ einen Tänzer oder eine Tänzerin aus der Gruppe der „Verlierer“ auf ihre Seite ziehen.
So geschah es, dass sich im Finale zwei fünfköpfige Gruppen gegenüberstanden. Sie tanzten um eine in Aussicht gestellte Thai-Massage, die ihren Körpern gut tun dürfte.

Das allerdings durch die jeweilige Auswahl der weiter gekommenen Gruppierungen eine so außergewöhnliche wie individuelle, mit wachen Sinnen für ihre Partner tanzende und performende Künstlerin wie Cindy Hammer nicht dazu gehörte, war ebenso unverständlich wie das Ausscheiden der beiden exzellenten und bestens mit anderen Stilen korrespondierenden Vertreterinnen des Spitzentanzes.

In der Endrunde tanzten dann auf der einen Seite Helena Fernandino und Wagner Moreira für die Dresdner Zeitgenossenschaft, Kelox und Anton für die Breakdancer und der sprunggewandte István Simon fürs Ballett.
Ihnen gegenüber, nach Mehrheit der Jury und gemessen an den Reaktionen des Publikums, siegen die so artistischen wie humorvollen und aufmerksamen Breakdancer Rossi und Lehmi, Sonoko Kamimura und Takuya Fujisawa mit ihren ganz und gar nicht ausgestellten, sondern individuell und mit schwingender Leichtigkeit eingebrachten Facetten vieler Stile, gemeinsam mit Joseph Hernandez vom Semperoper Ballett. Hernandez, bestens vertraut mit Motiven aus Choreografien von Forsythe und faszinierend in der Führung der Arme à la David Dawson, konnte darüber hinaus in besonderer Weise klassische Akkuratesse, gebrochen von lustvoll eingesetztem Material verschiedener Gangarten aus Varianten des Streetdance, bis hin zu süffisanter Eleganz, anbieten.

DJ Kid Cut legte auf, heizte ein, setzte kreative und eigenwillige Akzente. Motive aus Bizets „Carmen“ oder Tschaikowskys „Schwanensee“ durften dabei nicht fehlen, bei letzteren lassen alle gerne mal den kleinen Schwan raus und persiflieren im Stile von Les Ballet Trockadero de Monte Carlo.

So ein Battle of Styles muss moderiert werden, sehr charmant und mit freundlicher Zurückhaltung taten dies die erste Solistin vom Semperoper Ballett Courtney Richardson mit Martin „Ludi Rockoon“ Ludenia. Er so schelmisch wie selbstbewusst, wenn es sein musste auch krachig, aber nicht ohne Ironie. Wer bei seinen Kommentaren und Animationen an das TV-Format des Senders Joiz denkt, dürfte nicht ganz falsch liegen.

Am 25. April startet der nächste „Battle of Styles“ in Hellerau.

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