Ja oder Nein zum Tanz?

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Köln und Bonn, diese beiden Städte im „Tanzland NRW“, haben schon vor mehreren Jahren ihre Tanzensembles abgewickelt. Und Wuppertal hätte sicher auch keins mehr, wenn das Tanztheater nicht weltweit so berühmt wäre.

Köln / Bonn, 13/12/2014

Köln und Bonn, diese beiden Städte im „Tanzland NRW“, haben schon vor mehreren Jahren ihre Tanzensembles abgewickelt. Und, um nur ein anderes Beispiel zu nennen, Wuppertal hätte sicher auch keins mehr, wenn das Tanztheater nicht weltweit so berühmt wäre wie die ebenfalls einmalige Schwebebahn. Nun hat es diesmal das Schauspiel erwischt ... Hoffentlich sieht die Bundesregierung bald ein, dass die städtischen Etats inzwischen hoffnungslos erschöpft sind und eine Umverteilung der Steuern dringender denn je ist.

Glücklicherweise gibt es noch andere Kulturereignisse, die interessant sind: In Bonn gibt es das kleine, aber feine Festival „Into the Fields“, dessen Ausrichter das Theater im Ballsaal (Rainald Endrass) und die Brotfabrik (Karel Vanek) sind und Kompanien aus Berlin, Gießen, Brno und natürlich Bonn zeigt. Die hervorragenden Tänzer des Stadttheaters Gießen sind besonders herauszuheben: Endre Schumicki und Michael Bronczkowski in „Alter Ego“, einer starken Choreografie von Tarek Assam, hinterließen großen Eindruck, ausdrucksvoll und technisch auf höchstem Niveau. Ein spannendes Duett! Nicht ganz so „Causa Formalis“, ebenfalls von Tarek Assam, für vier wunderbare Tänzer aus Gießen.

Ein zweites Männerduett, „Another Jan“, auf hohem Niveau getanzt vom Erfinder des Stücks Martin Dvorak (ProArt Company Brno) und Olaf Reinecke ließ außer dem Titel, für den es keine „Gebrauchsanweisung“ gibt, keine Wünsche offen. Das Stück ist eine Premiere und anlässlich des fünfjährigen Bestehens der Bonner Tanzkompanie bo komplex entstanden.

Die Sensation fand aber für mich im Theater im Ballsaal statt, merkwürdigerweise ebenfalls mit einem Stück für zwei Männer, diesmal von der Kompanie Cocoon Dance aus Bonn, mit dem schon vielversprechenden Titel „Dating your Enemy“. Das einstündige Stück lässt es den beiden Kerlen frei, sich über sämtliche männliche Facetten, von ihren primitivsten bis rührendsten Seiten, auszulassen. Für mich die beste Arbeit der Choreografin Rafaela Giovanola! Ob das Stück der Brechtschen Vorlage gleichen Titels gerecht wird, kann ich nur ahnen. Zumindest hat sie Bert Brecht verstanden – so wie Pina Bausch in ihren „Sieben Todsünden“ Brecht verinnerlichte, obwohl ihre Annäherung wenig mit Brechts eigentlichem Stück zu tun hatte. Doch noch ein Wort zu den beiden Tänzern Joris Camelin und Martin Inthamoussu: Sie sind die ganzen sechzig Minuten bei ihrem Partner. Sei es, weil sie ihn im Blick haben oder ihn fühlen. Das habe ich lange nicht von Tänzern erlebt und es gibt mir Hoffnung, dass wir nicht vergessen haben, dass Tanz doch Theater ist und nicht nur aus sinnentleerten Schritten besteht. LABAN LÄSST GRÜSSEN.

Dabei fällt mir ein, dass ich am Abend vorher in Köln den Kinostart des Films „Auf das Leben“ gesehen hatte, der ebenfalls, aber mit Schauspielern, alle Register unseres Daseins zieht. Kein Film von Fassbender, aber der Regisseur ist ihm durchaus gewachsen! Warum ich dort war? Martin Stock hat die sparsame Musik zu diesem Film gemacht, mit viel Einfühlungsvermögen. Erst nach einer Weile, als ich im Kino saß und dieser Geschichte folgte, fiel mir ein, dass er es war, der mich auf „Auf das Leben“ aufmerksam gemacht hatte. Ich glaube, ein größeres Kompliment kann man ihm nicht machen, als das, dass er sich in seiner Musikkomposition so zurückgehalten hat. Martin Stock war lange Ballettkorrepetitor in München und hat eine Partitur zu „Lola Montez“ geschrieben, die keineswegs zurückhaltend war!

In Köln gab es dann noch eine spannende Tanz- und Theaterpreisverleihung. Sie wird jährlich von der Sparkassenstiftung veranstaltet, durch den Abend führte deren Geschäftsführer, der launige Hans-Georg Bögner. Viele Sponsoren der einzelnen Preise ließen es sich nicht nehmen, selbst die Preise zu übergeben und auch der Oberbürgermeister hatte anlässlich der 25. Verleihung den Weg zum Media Zentrum gefunden. Yoshiko Waki wurde geehrt für ihr Stück „Jewrope“, das in Koproduktion mit dem PTT Tanztheater Poznan entstanden ist und sinnigerweise vom TÜV Rheinland gesponsert wird. Zum Jubiläum gab es eine schöne Broschüre, die zurückblickt auf sämtliche Preisträger, Juroren und Inhalte. Bleibt mir noch anzumerken, dass eine Unzahl an Künstlern in allen Sparten nominiert war. Das erscheint mir inflatorisch und ist für mein Gefühl durchaus kontraproduktiv. Drei Titel oder Namen werden durch diese Ehre der Nominierung vielleicht im Gedächtnis bleiben. Sie machen die Zuschauer neugierig, aber wer kann sich schon zwölf oder mehr Nennungen merken? Ich fürchte, die Jurys müssten sich da etwas früher zusammenraufen ...

In der Bonner Oper besuchte ich zudem die Premiere von Händels „Rinaldo“, in einer hervorragenden Inszenierung von Jens-Daniel Herzog und dem Choreografen Ramses Sigl. Wenn die Tanztheater-Auftritte der engagiert agierenden Tänzer nicht wären, hätte das Publikum nur halb so viel Freude an diesem Abend. Der Applaus am Ende der Vorstellung war dementsprechend. Die Bonner vermissen offenbar nach wie vor ihr Tanzensemble. Denn auch wenn sie mit Kresnik nicht so viel anfangen konnten, muss man nicht gleich die ganze Sparte abschaffen! Womit wir wieder beim Thema wären ...

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