Mary Wigman

Eine Künstlerin in der Zeitenwende

Schwerin, 06/08/2006

Vor 120 Jahren wurde Mary Wigman, Pionierin des deutschen Ausdruckstanzes, in Hannover geboren. Grund genug für Tanzwissenschaft e.V., Dresden, das Buch „Mary Wigman, eine Künstlerin in der Zeitenwende“ (Herausgeber: Angela Rannow und Ralf Stabel) neu aufzulegen. Der Band konzentriert sich auf den Zeitabschnitt 1942 bis 1949, in dem die Wigman sich von Dresden lösen musste, wo sie sich eine sehr erfolgreiche Schule aufgebaut hatte, aus Leipzig das Angebot erhielt, an der Staatlichen Hochschule mit dem offiziellen Status Gastlehrerin zu arbeiten. Ihre Pläne, dort Tanz in ihrem Sinn aufzubauen, schlugen fehl: „Trotz meines ehrlichen Bemühens ist es mir nicht gelungen, hier in Leipzig über die primitivsten Anfänge einer künstlerisch orientierten pädagogischen Tätigkeit hinaus zu kommen“, schrieb sie 1949. Schließlich verließ sie Leipzig und ging nach Berlin, wo sie erneut eine eigene Schule aufbaute. Detailliert geschildert wird, wie sich die Wigman im Übergang vom Nazi-Regime zur kommunistischen Herrschaft zu behaupten versuchte, einzig ihrer Kunst zugewandt. Dafür gab sie all ihre Kraft, nachzulesen in ihren Tagebuchaufzeichnungen, bei denen manchmal offen, manchmal zwischen den Zeilen ihre Einsamkeit, die persönlichen Verluste spürbar werden. Ihre unbedingte Leidenschaft, ihre mitreißende Begeisterungsfähigkeit für den Tanz spiegelt sich in ihren Texten wider, etwa in der Beschreibung ihrer Gedanken zur Inszenierung von „Orpheus und Eurydike“ am Leipziger Opernhaus.

Angela Rannow beleuchtet in „Nur en passant“ ausführlich diese Zeit, beschreibt die Konflikte, denen die Wigman ausgesetzt war, wie sich Tanz und politisches Geschehen mischten. Weit über das Thema Wigman greift Regina Brauers Betrachtung über „Orpheus und Eurydike“, mit der „Musik im modernen Ausdruckstanz“ beschäftigt sich Peter Jarchow. Die oft nicht leichte Lektüre lohnt sich für die, die bereit sind, die manchmal eher trockenen Texte aufmerksam zu lesen. Hier wird nämlich nicht nur die Künstlerpersönlichkeit der Wigman beschrieben, sondern beispielhaft auch die Auseinandersetzung zwischen Politik und Tanz-(Kultur), hier extrem in zwei Diktaturen, dargestellt.

Als ergänzende Information sind die Bücher „Tanz unterm Hakenkreuz“ (Henschel Verlag) und die rororo Monographie „Mary Wigman“ zu empfehlen.

 

Mary Wigman. Eine Künstlerin in der Zeitenwende. 172 Seiten, 19,95 Euro Tanzwissenschaft e.V., Angela Ranow c/o Palucca Schule Dresden Basteiplatz 4 01277 Dresden

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