Costa und Clavicula

Forsythes „You made me a monster“ bei Tanz im August

Berlin, 26/08/2005

Als Performance-Installation bezeichnet Forsythe sein neues Stück „You made me a monster“, das als Koproduktion der Biennale in Venedig und Tanz im August entstanden ist. Dies ist bereits seine sechste Installation, freilich die erste mit „The Forsythe Company“, vermutlich seine persönlichste, und auch wenn die Besucher nicht so wild agieren dürfen wie bei „White Bouncy Castle“, ist auch dieses Mal Raum für Experimente und für Unvorhergesehenes: Sie werden zu Mitkonstrukteuren der Installation.

Sechzehn mal besteht innerhalb von vier Tagen die Möglichkeit, im Haus der Berliner Festspiele Monster zu kreieren, zu hören und zu sehen. Die Besucher finden an mehreren Tischen bereitliegende, vorgestanzte Kartonschablonen mit lebensgroßen Einzelteilen menschlicher Skelette vor, die sie ohne Anleitung zusammenbauen dürfen. Dadurch entstehen skurrile, monströse Gebilde, in denen etwa eine Hand an einen Schädel geklammert, costa (Rippe) von clavicula (Schlüsselbein) getrennt oder eine Wirbelsäule mit einem undefinierbaren Knochenkonglomerat verbunden wird. Die drei Performer David Kern, Nicole Peisl und Christopher Roman basteln erst einmal mit und zeichnen die Umrisse der Schatten, die die dreidimensionalen Skelettskulpturen werfen, auf Papier nach. Später werden sie diese Zeichnungen als Ausgangspunkt für Bewegungen verwenden.

Dieses zunächst heiter wirkende Experiment bekommt einen ganz anderen Sinn, wenn die Besucher damit konfrontiert werden, dass für den Choreographen die Fantasieskelette mit der Krebskrankheit und dem Tod seiner Frau verbunden sind, und sie sich selbst als Fortsetzer von Forsythes Trauerritual wiederfinden. Ein Text, der auf einer Leinwand vorbeifließt und auch auf ausgelegten Blättern nachzulesen ist, beschreibt die letzten Monate der Verstorbenen. Man erfährt, dass sie vor ihrem Tod ein „lebensgroßes Pappmodell eines menschlichen Skeletts zum Selberbasteln“ geschenkt bekommen hatte. Forsythe hat die Teile Jahre später wahllos zusammengebaut und erst in diesem Moment zu deuten gewusst: „Es war ein Modell der Trauer.“ Noch selten wurde man so detailliert über die Hintergründe eines Forsythe-Stücks informiert.

Anders als bei „Eidos:Telos“, bei dem die Empfindung, die der abwesende Körper seiner verstorbenen Frau auslöste, der Ausgangspunkt neuer Bewegungen war, sind es hier zufällig konstruierte Wesen, die gerade durch ihre - im Vergleich zum anatomisch gesunden und perfekten Körper - Unvollkommenheit, Krankheit und Monstrosität zu Bewegungen führen.

Sie werden umgesetzt von den Performern, die sich anfangs zwischen den Tischen bewegen und über Mikrofone geisterhaft-tierische Geräusche von sich geben, die mit elektronischem Sound (Dietrich Krüger) vermischt und verfremdet werden. Sie tanzen schließlich vor der Leinwand, auf der der Text über die Krankheitsgeschichte abläuft, auf eine Weise, die die gehandicapten Bewegungsmöglichkeiten der Skelettkreaturen zum Leben zu erwecken scheint. Mehr zeigen sie allerdings nicht, und das ist die Schwäche an diesem 50minütigen Stück. Der Tanzliebhaber zieht aus der Tanzperformance keine wesentlich tiefere Erkenntnis, als ihm durch die anderen Medien der Installation ohnehin vermittelt wird.

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