Claus Schulz zum siebzigsten Geburtstag

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Stuttgart, 21/06/2004

Ein bisschen im Archiv gestöbert! Da tauchte er zuerst Anfang der fünfziger Jahre auf, als er siebzehnjährig an die Komische Oper engagiert wurde, ein junger Spunt namens Claus Schulz aus Rostock, der gerade ein Elevenjahr in Schwerin hinter sich hatte und bereits 1952 von Felsenstein zum Solotänzer befördert wurde. Das soll nun alles schon über ein halbes Jahrhundert her sein? Und ich war gerade ein mittlerer Twen und schlug mich ziemlich mühselig als „Flüchtling“ in West-Berlin durch. Was für Namen – was für Jahre, damals, im Zeichen der „Luftbrücke“! Neben ihm der ein bisschen ältere Werner Ulbrich (der so wenig wie er je ein Prinzentänzer werden konnte, denn dafür waren sie beide zu klein – und der ist nun auch schon über 35 Jahre tot) – und der bedeutend ältere Georg Groke, dessen Anfänge noch in die Höhepunktjahre des deutschen Ausdruckstanzes zurückreichten.

Claus Schulz – ein Springinsfeld aus Mecklenburg: und dies sollte später sein berühmtestes Bild werden, im Grand Jeté vor dem Portal der gerade wieder erstandenen Deutschen Staatsoper Unter den Linden in Berlin! 1956 ging er dann an die Staatsoper – und wurde dort zum populärsten Tänzer, den es je in Deutschland – ob nun West oder Ost – gab. Seriös in den großen Ballettproduktionen der berüchtigten Lilo Gruber (wo er ein fantastischer Armen in ihrer „Gajaneh“ war) und in den choreografisch sehr viel substanzielleren Balletten der unterschätzten Grita Krätke, aber auch in den Revuen im Friedrichstadtpalast, mit einer eigenen Fernsehshow und in zahlreichen Filmen.

Ja, er war wirklich populär – wie kein Reinholm, kein Cragun neben ihm, wie kein Matz nach ihm. Er holte sich Preise bei den Tänzerwettbewerben in Wien (gleich nach Nurejew), Warschau und Bukarest, er gastierte häufig im Ausland, avancierte zum Meistertänzer (1960 – 35 Jahre bevor Oliver Matz zum „Kammertänzer“ ernannt wurde!), bekam den Nationalpreis der DDR und wurde Mitglied der Ost-Berliner Akademie der Künste und 1970 bis 72 sogar noch Ballettdirektor im Haus Unter den Linden. Sicher wäre er dort inzwischen Ehrenmitglied – aber das hat er sich ein für alle Mal vermasselt, als er sich 1972 entschloss, von einem Paris-Gastspiel nicht mehr nach Ost-Berlin zurückzukehren.

Stattdessen wurde er zu einem glücklichen Menschen, der sich später keine Vorwürfe zu machen brauchte, mit den Funktionären paktiert zu haben (erinnert sich noch jemand an einen gewissen Werner Hoerisch, Dramaturg, Librettist und in der Wolle gefärbter Sozrealist an der Staatsoper? Wie war ich erstaunt, ihm jetzt in den Briefen Mary Wigmans an Hanya Holm wieder zu begegnen!). Claus Schulz war sogar eine zweite Karriere als sehr erfolgreicher Modemensch beschieden. Heute bereist er mit seinem langjährigen Freund und Lebenspartner Theo Korte kreuz und quer die ganze Welt. Ein wirklich glücklicher Mensch – wie viele können das von sich, die als Teenager-Tänzer zum Theater gegangen sind, als Siebzigjährige von sich sagen? Meinen herzlichen Glückwunsch nach Teneriffa, dass er sich dieses Zustandes in guter Gesundheit noch lange erfreuen möge!

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