Die Wiederkehr des Robert Tewsley (als Gast)

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Stuttgart, 10/11/2002

Eine Gala, die keine Gala war! Denn das Gastengagement Robert Tewsleys für die „Onegin“-Vorstellung am Sonntagabend kam so überraschend, dass keine Zeit mehr für die Ankündigung als besonderes Ereignis blieb. Und doch hatte es sich binnen weniger Stunden so herumgesprochen, dass in der seit langem ausverkauften Vorstellung Stuttgarts Ballettklientel fast vollständig vertreten war. Auf jeden Fall wurde der Abend zu einem Fest, erfüllt von einer elektrisierenden Hochspannung, die, auf der Bühne erzeugt, auf den Zuschauerraum übersprang und von dort aus wieder auf die Bühne zurück wirkte – um sich am Schluss in einem Wechselspiel von artigen Verneigungen und stimulierenden Akklamationen zu entladen, mit einem Blumen-, nein, nicht -gewitter, wohl aber -schauer mit kräftigen Böen für Tewsley, der strahlend zur Kenntnis nahm, wie sehr er von seinen Stuttgartern geliebt wird. Wenn die Londoner zumindest bei seinen ersten Auftritten beim Royal Ballet Tewsley als englischen Heimkehrer gefeiert hatten, so begrüßten ihn die Stuttgarter an diesem Sonntagabend quasi als wiedergekehrten, fast schon verloren geglaubten Sohn.

Es war aber auch eine Bombenvorstellung! An der alle Anteil hatten – nicht zuletzt das mit Feuer tanzende und mit ausgesprochener Spielfreude animiert engagierte Corps de ballet – das gleich im ersten Bild die paarweise absolvierten Diagonalen mit einer solchen Lust und Gutgelauntheit auflud, dass die Funken nur so sprühten. Und welch herzliche Innigkeit und ungetrübtes Einvernehmen – welch eine vollkommene Harmonie und technischer Schliff in der Begegnung der Olga von Katja Wünsche und ihrem Strahlekavalier Lenski alias Friedemann Vogel!

Und dann diese wunderbar zarte, ganz in ihre Bücher-Fantasiewelt eingesponnene Tatjana von Sue Jin Kang, die sich dann zu einer ihr Schicksal fest entschlossen in die Hände nehmende Frau und später zu einer Dame von Welt und an der Seite des ihr sicheren Schutz gewährenden Fürsten Gremin von Robert Conn zur Königin der St. Petersburger Salons entwickelt. Doch ihre Mutter Melinda Wizham und ihre Amme Ludmilla Bogart sollten gemeinsam dafür sorgen, dass ihr Mädchen-Schlafzimmer bald neue Tapeten bekommt, denn es ist dringend renovierungsbedürftig.

Na und dann Robert Tewsley als Onegin! Zunächst noch eher zaghaft vom Publikum begrüßt, das noch gar nicht recht zu begreifen schien, ihn schon so bald nach seinem Abschied erneut auf der Bühne wiederzusehen, auf der er von einem Erstklassetänzer zu einem Star gereift war. Tewsleys noble Erscheinung, die breite Skala seiner darstellerischen Mittel zwischen blasiertem Dandy und leidenschaftlich entflammten und ob seiner Zurückweisung tödlich verwundeten Liebhabers, seine Blitze schleudernden Augen, seine in der besten internationalen Tanzdiplomatenschule auf Hochglanz polierten Umgangsformen und brillante Virtuositätsrhetorik: sie ließen ihn zum natürlichen Zentrum dieser Sozietät werden und mit seinem unwiderstehlichen Charme die Herzen und Sinne des Publikums erobern. Das nur einen einzigen Wunsch zu haben schien: ihn so bald wie möglich wiederzusehen. Und warum eigentlich nicht als residenten Primoballerino des Stuttgarter Balletts?

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