Joachim Schlömer inszeniert Monteverdis „L'Orfeo“

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Stuttgart, 09/11/2002

Monteverdis „La Guerra d´Amore“ war 1999 die schönste und stimmigste von den Produktionen, die ich von Joachim Schlömer als Choreograf und Regisseur in all den Jahren in Ulm, Weimar, Basel, Stuttgart, Köln und zuletzt in Essen von ihm gesehen habe. Nicht alles hat mich in gleicher Weise überzeugt – so sehr mir sein Stuttgarter „Rheingold“ gefallen hat, so enttäuscht war ich von seinen Stuttgarter „Hoffmanns Erzählungen“ und jüngst in Essen von dem verkrampften und untänzerischen Salzburg-Import seines „The Day I Go to the Body“.

Gerade weil mich in Basel sein „Guerra d´Amore“ in seiner perfekten Harmonie von Musik, Gesang, Szene, Choreografie und Tanz so begeistert hatte, sah ich seiner Stuttgarter Inszenierung von Monteverdis „L´Orfeo“ , Favola in musica, mit großen Erwartungen entgegen. Und konnte ihr in der Generalprobe so gar nichts abgewinnen – außer ihrer musikalischen Realisierung unter der Leitung von Jean-Claude Malgoire (der mich als Dirigent diverser Schallplattenaufnahmen von Händel-Opern auch nicht gerade hingerissen hatte).

Wie anders mein Eindruck nach der heutigen Premiere! Was mich in der Generalprobe so gestört hatte, waren die scheußlich-spießigen Kostüme von Katrin Brack gewesen und all die modernen Gimmicks, deren Schlömer sich bediente, um seine Inszenierung möglichst aktuell erscheinen zu lassen (die Erfrischungstüchlein, die Grill-Party samt herumgereichter Ketchup-Flasche, der Plattenkoffer anstelle der Lyra, das Feldgeschirr für den Linsen-Eintopf der Heilsarmistin und all dieses Zeug, bis hin zur Flugmaschinerie für Orpheus, wenn er, von Apollo gerufen, himmelwärts fährt, die mich an nichts so erinnerte wie an Möllemanns erhoffte Errettung aus höchster Not durch den Deus ex machina mit seinem vertikalen Fallschirm-Lift.

Für all diese aufgepfropften Modernismen konnte ich mich auch heute nicht begeistern, doch anerkenne ich durchaus, wie Schlömer bemüht war, der ja eher statuarischen Aktion zusätzliche Bewegungsmomente abzugewinnen. Am forciertesten in seinen direkten tänzerischen Arrangements, wenn er Orpheus ein paar unbeholfene Tanzschritte verordnet, die dann vom Chor repetiert werden, oder bei den Hochzeitsfestivitäten wenn er alle Beteiligten in einen Gruppentanz mit Schenkelklatschen und aufeinanderschlagenden Sandalen ausbrechen lässt.

Auch die schlangentänzerischen Beiträge einer Figur, von der ich vermute, dass sie die auf dem Besetzungszettel genannte Dryade alias Jasna Vinovski war, fand ich in all ihrer kurvigen Verführungssuggestivität herzlich überflüssig. Doch letzten Endes überzeugte mich Schlömers Einfallsreichtum (und natürlich auch, wie denn auch nicht, seine erotische Fantasie), der in Zusammenhang mit der musikalischen Perfektion der Aufführung eine Vitalität verlieh, wie ich sie auch in dem legendären Monteverdi-Zyklus unter Harnoncourt und Ponnelle in Zürich nie zuvor erlebt habe.

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