Kevin O'Days Einstand mit „Fielding Sound“

oe
Mannheim, 24/10/2002

Ob es das nun ist, was sich Mannheims Freunde des Balletts von ihrem neuen Chef Kevin O´Day erhofft hatten? Der hatte in Stuttgart Furore gemacht und seinen internationalen Ruf begründet. In Mannheim hat er jetzt mit der Uraufführung von „Fielding Sound“ als erstem von vier Ballettabenden der laufenden Spielzeit seine Visitenkarte abgegeben. Zusammen mit seinem ständigen musikalischen Mitarbeiter John King, der den elektronischen Sound-Mix arrangierte, zu dem die Tänzer ihre gelegentlichen – sehr gelegentlichen – weitgehend unverständlichen Worte oder Schreie addieren.

Im zweiten Teil, nach der Pause dann laut Programmheft auch ihren „auf der Bühne aufgenommenen Liveton, der sich während der Vorstellung mit der bereits aufgenommenen Musik vermischt. Diese ‚Variablen‘ im zweiten Akt erfordern die Spontaneität der Tänzer.“ Die Programmheftinformationen klingen reichlich hochtrabend – so wie der Titel, mit dem die meisten Besucher wohl kaum irgendwelche konkreten Vorstellungen verbinden dürften.

Es gibt also zwei Teile, der Abend beginnt um acht, und um zehn sitzen wir bereits wieder im Auto auf dem Rückweg nach Stuttgart. Beteiligt sind sieben Tänzer des bisherigen Ensembles und acht neue Kollegen aus insgesamt neun unterschiedlichen Nationalitäten – das ergibt eine Kompanie sehr unterschiedlicher Individualitäten, die von Silke Kraus in ein bisschen aufgemotzte Trainingskostüme gesteckt wurden und in Lichträumen von Mark Stanley tanzen – gemäß einer Dramaturgie von Erik Raskopf, so streng in Segmente gegliedert wie Bachs „Kunst der Fuge“ – beim einmaligen Sehen für das Publikum wohl kaum nachvollziehbar.

Getanzt wird im ersten Teil viel auf Spitze, durchaus klassisch grundiert – im zweiten Teil dann auf flacher Sohle, doch der klassische Grundton schimmert auch hier immer wieder durch. Jedenfalls wird getanzt, und die Kompanie nennt sich ja auch ausdrücklich Ballett.

Keine Frage, dass O´Day ein geborener Choreograf ist, der sein Metier beherrscht – besonders liebt er variable Verknotungen zweier, auch dreier, gelegentlich auch von vier Tänzern, auch lässt er sie gern auf dem Boden rollen oder gleiten. Es ist also immer alles in Bewegung, und die einzelnen Auftritte, Ensembles in verschiedenen Formationen, auch gelegentlich Soli schließen dalli-dalli aneinander an. Wie die Tänzer sich in diesem Klangdschungel orientieren, ist mir schleierhaft. Aber sie tun es und tanzen ihre Segmente mit hoher Energie.

Was sie tanzen, sind Skizzen, Episoden – Inhalte habe ich nicht erkannt. Mir ist das alles zu beliebig, austauschbar, unverbindlich, rundet sich nicht zu einem Gesamten. Ich würde es nicht bemerken, wenn da irgendetwas ausgelassen oder hinzugefügt würde. So könnte dieser „Fielding Sound“ gut eine halbe Stunde (oder auch mehr) kürzer sein – oder auch, schrecklicher Gedanke (noch) länger.

Was soll's? Am Premierenabend gab es viel kreischenden Beifall jener Jugendlichen, die unbedingt demonstrieren zu müssen glaubten, wie hip sie sind – und einen konstanten Buh-Oppositionellen. Doch wie werden die Abonnenten auf dieses Ballett reagieren? Und wie werden künftige Produktionen von O‘Day und King aussehen? Anders? Wenn Pina Bausch in ihrem Glaubensbekenntnis statuiert, dass es sie nicht so sehr interessiere, wie sich die Menschen bewegten, als was sie bewege, so vermitteln die Mannheimer Tänzer den Eindruck, dass sie tanzen, was ihnen die Choreografie diktiert. Schade, dass sich O‘Day so total der Zusammenarbeit mit King verschrieben hat. Was für ein aufregender Choreograf könnte er sein, wenn er sich entschlösse, zu nicht-elektronischer Musik tanzen zu lassen!

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