Tamas Detrich beendet als Onegin seine Tänzerkarriere

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Stuttgart, 25/07/2002

Exakt am Schlussabend der Spielzeit 2001/02 verabschiedete sich Tamas Detrich, der an diesem Tag seinen 43. Geburtstag feierte, mit dem Onegin als Tänzer des Stuttgarter Balletts. Und das Stuttgarter Ballettvolk ließ es sich nicht nehmen, seinen Tommy mit dem großen Stuttgarter Tänzer-Zapfenstreich zu verabschieden – dem obligatorischen Blumenregen aus dem Schnürboden, von den Rängen und aus dem Parkett. Nichts lieben die Stuttgarter so sehr wie das Feiern, und dieser Abend bot ihnen wieder einmal eine hoch willkommene Gelegenheit dazu.

Fünfundzwanzig Jahre, ein Vierteljahrhundert, währte die Tänzerkarriere Tamas Detrichs beim Stuttgarter Ballett, die ihn aus seiner Mitgliedschaft im Corps de ballet auf die Höhe seines Principal Dancer-Status und zur Ernennung als Kammertänzer führte. Was hat er in diesen zweieinhalb Jahrzehnten nicht alles getanzt, Klassiker, die Wegbereiter des 20. Jahrhunderts, die Pioniere des Balletts von morgen. Und allen diesen so verschiedenartigen Rollen hat er den Stempel seiner Persönlichkeit aufgeprägt – seiner souverän beherrschten Technik, seiner Eleganz, seiner Nobilität. So auch noch einmal an diesem Abend, an dem er in der Interpretation des Onegin das große europäische Kulturerbe bündelte: russische Literatur und Danse d‘école à la Stuttgart, Puschkin, Tschaikowsky und Cranko, romantischen Byronismus – seine ungarisch-amerikanische Herkunft und seine Stuttgarter Persönlichkeitsreife.

Wieder einmal wurde einem bewusst, wie das Stuttgarter Ballett gleichsam zu einem Modellfall der so skeptisch beäugten, hier nun aber geradezu modellhaft vorgelebten Globalisierung geworden ist – an Detrichs Seite, der so ideal die Personalunion Amerikas und Stuttgarts repräsentiert, tanzten an diesem Abend die beiden Kanadier Yseult Lendvai und Robert Conn als Tatjana und Gremin, die Russin Ivanna Illyenko als Olga und Friedemann Vogel aus Stuttgart als Lenski – Rollen, die Stuttgart ebenso gut auch mit Kompaniemitgliedern aus Frankreich, Italien, Spanien, Tschechien, der Türkei, Polen, Israel oder Südamerika hätte besetzen können. Und längst ist ja Stuttgart nicht mehr allein mit diesem Völkermix seiner Tänzer! Die deutschen Ballettkompanien insgesamt sind so zu Vorreitern der Globalisierung geworden, basierend auf der beglückend vielgestaltigen Verzweigungen ihrer nationalen kulturellen Verwurzelungen.

Für Tamas Detrich aber bedeutete dieser Abend nicht nur den Abschied von seiner Tänzerkarriere, sondern auch den Neubeginn seines zweiten Lebensabschnitts als Ballettmeister des Stuttgarter Balletts, für den wir ihm ebenso viel Erfolg wünschen, wie er ihm als Tänzer in so reichem Masse zuteil geworden ist.

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