Johann Kresnik choreografiert die „Polowetzer Tänze“

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Straßburg, 07/05/2002

Totale Überraschung in der Straßburger Produktion von Borodins Oper „Fürst Igor“ als Choreografen Johann Kresnik genannt zu sehen. Die Inszenierung von Alfred Kirchner – sehr im Gegensatz zu seiner ungemein dichten und schlüssigen Zürcher Mussorgsky-„Chowanschtschina“ – reichlich hölzern und zäh.

Dann kommt als erstes der Tanz der Polowetzer Mädchen, die ein bisschen neckischen Fußball spielen, sich gegenseitig Bälle zuwerfen und mit großen Laken-Tüchern wedeln: eine einzige alberne Verlegenheit, die ich denn doch nicht Kresnik anlasten möchte. Der meldet sich dann unübersehbar im Polowetzer Kamp zu Tanze: zunächst mit der brutalen Vorführung einer nackten Jungfrau – sozusagen als Gastofferte von Khan Konschak an seinen Gefangenen, eben Fürst Igor.

Dann geht‘s richtig zur Kresnik-Sache mit der Show, die Khan Konschak seinem Gast präsentiert. Das sind die eigentlichen „Polowetzer Tänze“, die bekanntlich in Fokines Originalchoreografie Klassikerstatus genießen. Dass Kresnik die übernehmen würde, hatte ich nun wirklich nicht erwartet – allerdings auch nicht, was er an ihrer Stelle bot: nämlich eine farbenprächtige Revue aus Break Dance, Hip-Hop und Bauchtanz, dazu vier halbnackte Body-Builder, die ihre Muskelpakete ausstellen. Lustig, lustig das Ganze, mit all den artistischen und akrobatischen Tricks, die dazu gehören, inklusive Head-Spinning und Luftnummern.

Ich wusste nicht recht, wem ich mehr trauen sollte, den Ohren oder den Augen, denn einen Bezug zur Musik konnte ich nicht entdecken. Aber unterhaltsam war das durchaus – und brachte endlich etwas Leben in die sonst so stocksteife Bude. Am Ende dann unterschiedliche Reaktionen, die einen schrien Skandal, während die anderen vehement applaudierten. Ich fand‘s total unpassend, muss aber zugeben, dass mir Kresniks Polowetzer Show ausgesprochen Spaß gemacht hat. Als Danseurs et Figurants fungierten übrigens zwölf Artisten, von denen keiner in der Personalliste der für 2001/02 genannten Danseurs auftaucht.

Übrigens noch ein Nachwort zum koeglerjournal über die Moskauer Benois-Preise: da stimmten meine Informationen nicht so ganz. Auch der Preis für den besten männlichen Tänzer wurde geteilt – und so muss sich Jiří Bubeníček den Preis mit dem aus der Alvin Ailey Truppe stammenden Jeffrey Geradias teilen – und für ihr Lebenswerk wurden sowohl Rudi van Dantzig als auch Jürgen Rose ausgezeichnet.

Bei der Preisverleihung scheint es zu heftigen Protesten gegen die Entscheidungen der Jury gekommen zu sein – sie richteten sich sowohl gegen Anastassia Volotchka als auch gegen Forsythes Choreografie. In den englischen Websides (www.ballet.co.uk – auch www.criticaldance.com und www.balletalert.com) werden die Zusammensetzung der Jury und ihre Urteile ziemlich kontrovers diskutiert. Dort las ich jetzt übrigens auch, dass Wayne Eaglings Vertrag als Artistic Director des holländischen Het Nationale Ballet mit dem Ende der Spielzeit 2002/03 terminiert werden soll. Die Holländer sind unzufrieden mit der internationalen Ausrichtung seines Repertoires und wollen einen Landsmann an der Spitze ihres Nationalballetts sehen.

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