Das Leipziger Ballett im Opernhaus

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Stuttgart, 22/06/2001

Die Leipziger lieben ihren Uwe und ihr Ballett – wie die Stuttgarter (immer noch) ihren John und ihre Tänzer. Sie kennen auch die Sympathie, die ihnen das hiesige Publikum bei ihren diversen Gastspielen in Ludwigsburg bekundet hat. Jetzt waren sie zum ersten Mal im Stuttgarter Opernhaus an zwei Abenden zu Gast – mit Scholzens „Gloria in excelsis Deo“, seinem Bach-Ballett. Das Ausmaß an Warmherzigkeit, ja Liebe, die ihnen aus dem Zuschauerraum regelrecht entgegenbrandete, schien sie gleichwohl überrascht zu haben. Und so strahlten sie geradezu vor Seligkeit bei den Schlussvorhängen – und alle, oben auf der Bühne, wie unten im Parkett und auf den Rängen, bedauerten, dass Uwe selbst das nicht miterleben konnte.

Die Entente Leipzig-Stuttgart war an diesen Abenden vollkommen – die Bach-Stadt Leipzig grüßte die Bachstadt am Neckar. Und alle, alle waren glücklich! Ist ja auch toll, was für eine Kompanie Uwe Scholz da in zehn Jahren in der Messestadt aufgebaut hat! Mit Solisten und Corpsmitgliedern, die für ihn offenbar durchs Feuer gehen. Reinheit und Klarheit strahlt ihr Tanzen aus – genau wie Bachs Musik. Hier gibt es keine Fisimatenten, alles atmet Größe – der Klang (elektroakustisch manipuliert zwar, aber nicht so übersteuert wie wir es sonst immer wieder an diesem Ort erleben), der lichtdurchflutete Raum, die musikalisch sensible, strukturklare Choreografie, der Tanz als Körper innerhalb der ihn umgebenden musikalischen Haut. Was haben wir nicht alles an Bach-Choreografien in den letzten Monaten erlebt – zu denken sei allein an Duato, Spoerli und Scholz (nicht zu vergessen die Bach-Stützpfeiler des Repertoires von Balanchine, Robbins, Taylor, Neumeier, van Manen, Hwai-min, Morris und wie sie alle heißen).

So viele Namen, so viele individuelle Annäherungen an Bach, als handelte es sich nicht um einen einzigen Komponisten, sondern um einen ganzen Kosmos, gebündelt in dem einen Namen Bach – sozusagen um DEN Kosmonisten! Und dessen spezifischen Leipziger Nerv scheint Scholz exakt getroffen zu haben. Seine strahlende, protestantische Nüchternheit, die Geradlinigkeit seines Denkens, die Transparenz seiner Architekturen, die Ausgewogenheit seiner Proportionen... Die Musik als klanggewordene Klassik trifft auf das Ballett als Inbegriff der tänzerischen Klassik. Made in Leipzig. Demonstriert in Stuttgart. Danke!

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