Der König tanzt

oe
Stuttgart, 03/05/2001

Ach, wenn er es doch täte! Während in Gérard Corbiaus Film über den Kastraten Farinelli die Musik eindeutig im Vordergrund stand und man fasziniert lauschte, was es denn mit der vielgerühmten Stimmakrobatik des Darlings der europäischen Hocharistokratie auf sich hatte, spielt der Tanz in seinem neuen Film „Le Roi danse“ nur eine marginale Rolle.

Der König ist Ludwig XIV, ein eher blässlicher, ziemlich unbeholfener, androgyner Knabe, im Mittelpunkt amouröser und politischer Kabalen und Intrigen, mit Lully und Molière als zunächst freundschaftlichen Rivalen um die Gunst des Monarchen. Das Ballet de cour dient hier lediglich als Demonstrationsobjekt absolutistischer Machtentfaltung, mit Ludwig als „Sonnenkönig“ eines kosmischen Zentrums, um das die Höflinge wie Planeten kreisen. Der König darf posieren und seine prächtigen Kostüme zur Schau stellen. Wenn er aber wirklich mal den einen oder anderen Tanzschritt probiert, gerät er rasch ins Stolpern. Wo das historische Material so armselig ist, kann auch die Choreografin Béatrice Massin (offenbar keine Verwandte des großen Leonide) nicht mehr tun, als geschmackvolle Lebende Bilder arrangieren.

Was man schon immer ahnte bei den einschlägigen Demonstrationen der akademischen Spezialisten des historischen Tanzes, aus dem dann der Bühnentanz hervorging: Dessen Anfänge waren ganz an das höfische Zeremoniell gebunden und entsprechend simpel und dürftig. Ganz im Gegensatz zu der dazu erklingenden Musik, die von Reinhard Goebel und der Kölner Musica Antiqua für diesen Film eingespielt wurde, und die nach wie vor ihren glamourösen Glanz und ihre kraftvolle Vitalität entfaltet (als CD erhältlich: „Le roi danse“, Werke von Lully, Cordier, Lambert und Cambert. Musica Antiqua Köln, Reinhard Goebel. DG/Universal 463 446).

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern