„scanned V“

Tanz-Medien Performance von Christian Ziegler

München, 01/12/2001

Medienkünstler leben in einer anderen Welt als Tänzer. Das System erfasst seine Umgebung Pixel für Pixel, der Tänzer mit kinästhetischem Sinn. Er erlebt den Raum als Herausforderung, im Dialog, das System sammelt Informationen und speist sie sich ein. Arbeiten Tänzer und Medienkünstler zusammen, prallen zwei Welten aufeinander. Blaue Flecke tragen dann meist beide davon; die einen fühlen sich als fragmentierte Versuchskaninchen benutzt und ausgebeutet, die anderen in ihrem Forscherdrang nach den hybriden Formen einer neuen Zeit missverstanden. Rauft man sich jedoch zusammen, dann können zwittrige virtuelle Körper und Welten entstehen, die das von Zuschauern zu Usern mutierte Publikum faszinieren: die Installation „Ghostcatching“ von Paul Kaiser, Shelley Eshkar und dem Tänzer Bill T. Jones etwa, oder Kaisers epochemachendes Software-Dekor für Merce Cunninghams Erfolgsstück „Biped“.

„Hier wird gekocht“, sagt der Medienkünstler Christian Ziegler über seine Performance und schaut dabei tatsächlich so harmlos und vertrauenswürdig wie ein Biolek digitaler Medien und neuer Technologien, „immer kommt eine Zutat hinzu. Immer wird etwas ausprobiert.“ Lächelnd zieht er sich hinter seinen am Rand der Tanzfläche postierten Arbeitstisch zurück und startet das System. Das Probeessen beginnt.

Seit dem Jahr 2000 beschäftigt sich Ziegler, der am Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe arbeitet, mit dem Projekt „scanned“, dessen fünfter Teil heute bei Spielart im i-camp (18 und 21 Uhr) uraufgeführt wird. Der indische Tänzer Jayachandran Palazhy aus London gestaltet die Umgebung, in der er tanzt, selbst. Magisches betört das Auge. Der als Schatten zu sehende Tänzer verdoppelt sich, gewinnt die dritte Dimension und präsentiert zwei unterschiedliche Ansichten seines Körpers zur selben Zeit. Er spielt, macht von einer Seite zur anderen Jagd auf sich selbst oder verdichtet sich zur vielarmigen Shiva-Figur. Später erzeugt der Verbund aus Mensch und System gleichzeitig mehrere Ansichten einer Person, ohne sie einzufrieren und auf feste Konturen zu reduzieren. Das Bild lebt. Langsam setzen sich Körperbilder zusammen und verschwimmen wieder, zerfließen in Farbschlieren, organisieren sich zu DNS-artigen Fäden, zerfallen in bunte flächige Muster. Der Tänzer gibt an, welche Farbe gleich das Bühnen-Environment durch seine Bewegungen annehmen wird. Er zaubert und trickst, und irgendwann hat er genug getanzt. Dann setzt er sich zu Chris Ziegler hinter den Computertisch, schaut zu, was der Operator aus seinem gefilmten Tanz zusammensampelt.

Mit seinem digitalen Verarbeitungssystem, das wie ein Scanner den Videoscan der vorher gesehenen Performance abtastet, gestaltet Ziegler Farbverläufe, Musterfolgen, nie gesehene Ansichten vom Körper, den Tänzer als Strichcode. Zieglers Arbeit funktioniert als Kreislauf: Sein System nimmt Informationen von der Bühne auf, verarbeitet sie und projiziert sie zurück, wo sie der Tänzer erneut aufnehmen kann. Anschließend verfolgen Tänzer und Zuschauer, wie die mediale Choreografie entsteht. Abgebildet werden soll so der Tanz selbst.

VB: Spielart, UA: Christian Ziegler, „scanned V“ am 1.12. (18 und 21 Uhr) und 2.12. (21 Uhr) im i-camp

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