Abschieds-Gala für Birgit Keil und Vladimir Klos in Karlsruhe 2019
Abschieds-Gala für Birgit Keil und Vladimir Klos in Karlsruhe 2019

Ein bewegtes Tänzerleben

Vladimir Klos, ehemaliger Erster Solist des Stuttgarter Balletts, hat seine Biografie vorgelegt.

Er gehörte von 1968 bis 1996 zur ersten Garde des Stuttgarter Balletts. „Ups and Downs – mein Leben, ein einziger Tanz“ ist die spannende Lebensgeschichte eines ebenso sensiblen wie mutigen Tänzers.

Stuttgart, 28/08/2021

Geboren am 1. Juli 1948 in Prag, mit 7 Jahren erster Unterricht in einer privaten Ballettschule, ab 1960 Ausbildung zum Profi-Tänzer am Konservatorium Prag, ab 1964 erstes Engagement beim Studio Ballett Prag mit Gastspielreisen in alle Welt, im August 1968 nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in der Tschechoslowakei Flucht nach Österreich mit dem letzten Zug nach Wien, ab 1. Dezember 1968 Mitglied des Stuttgarter Balletts, 1972 Ernennung zum Solisten und 1973 zum Ersten Solisten – das ist die steile Tänzerkarriere von Vladimir Klos.

In Stuttgart war er beliebt und bekannt für seine Eleganz und seine sensiblen Rolleninterpretationen, darunter große Herausforderungen wie Onegin in Crankos gleichnamigem Klassiker, Prinz Siegfried in „Schwanensee“, Romeo in „Romeo und Julia“, Petruccio in „Der Widerspenstigen Zählung“ (alle von John Cranko), Albrecht in „Giselle“ von Peter Wright, Stanley Kowalski und Mitch in John Neumeiers „Endstation Sehnsucht“ (für die Rolle des Mitch wurde er 1984 von der Zeitschrift „Ballettanz“ als bester Darsteller des Jahres ausgezeichnet), Gaston Rieux in Neumeiers „Die Kameliendame“ sowie unzählige weitere Rollen in Klassikern und modernen Stücken verschiedener Choreografen von Kenneth MacMillan über George Balanchine, Glen Tetley und Maurice Béjart bis Heinz Spoerli, Jiri Kylian, Uwe Scholz, Renato Zanella und David Bintley.

Vladimir Klos überwand schwere Verletzungen und Krankheiten, er erlebte Triumphe auf der Bühne und ebenso Rückschläge und Niederlagen. Nicht von ungefähr lautet deshalb der Titel seiner Biografie „Ups and Downs. Mein Leben, ein einziger Tanz“. Bei all dem Auf und Ab verlor er jedoch nie seinen Optimismus und seine unerschütterliche Zuversicht. Nur einmal geriet alles ins Wanken: als er im April 2019 die niederschmetternde Diagnose einer Krebserkrankung im Kopf-Hals-Bereich erhielt. Aber auch aus diesem Tief fand er heraus und entwickelte neue Lebensfreude – und ebenso den Mut, Zeugnis abzulegen von seinem bewegten Leben (in Zusammenarbeit mit der Ballettdramaturgin Silke Meier-Brösicke).

Nach seiner aktiven Tänzerlaufbahn, die insgesamt bewundernswerte 32 Jahre dauerte und erst im Alter von 48 Jahren endete, wandte sich Klos dem Nachwuchs zu und unterrichtete bis 2019 als Professor an der Akademie des Tanzes Mannheim. Von 2003 bis 2019 war er an der Seite von Birgit Keil, die schon seit 1969 sein Leben auf der Bühne und im Privaten teilt, stellvertretender Direktor des Balletts am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Beide entwickelten diese Kompanie zu neuer Blüte. Die von Birgit Keil und der Marchesa Maddalena Mina di Sospiro 1995 gegründete Tanzstiftung Birgit Keil vergab (und vergibt heute noch) zahllose Stipendien an hochbegabte Nachwuchstänzer*innen. Vladimir Klos hat die Stiftung von Beginn an ehrenamtlich unterstützt, bis heute gehört er dem Kuratorium an und ist Vorsitzender des künstlerischen Beirats. Nicht wenige der meist blutjungen Elev*innen stammen aus dieser Wiege und haben eine internationale Karriere gemacht, z. B. Thiago Bordin, Bruna Andrade, Zhi Le Xu, Anais Chalendard, Flavio Salamanka, Gabriel Alves Brito, Juliano Nunes.

Das Schöne an diesem Buch ist, dass Vladimir Klos sich nicht zu schade ist, auch Fehler einzugestehen, er hat es nicht nötig, etwas zu beschönigen, und gerade diese Liebe zur Aufrichtigkeit und Wahrheit macht seine Erzählung abwechslungsreich und spannend. Und so freut man sich mit ihm an den Ups und Downs, an den vielen Erfolgen und wenigen Rückschlägen, an dieser ganz einmaligen Karriere, wie sie so nur wenigen Tänzern zuteil wird.

Es ist ein Buch, das man vor allem der jungen Tänzer*innengeneration zur Lektüre empfehlen möchte. Sie können darin ebenso Bescheidenheit und Demut lernen, aber auch die Kraft der bedingungslosen Hingabe an den Tanz, an die Selbstentäußerung auf der Bühne, die so individuell und eben deshalb so wertvoll ist, und die einen ganz großen Künstler ausmacht. In diesem Sinne ist Vladimir Klos ein Vorbild, das man nicht hoch genug schätzen kann.

Vladimir Klos mit Silke Meier-Brösicke: Ups and Downs. Mein Leben, ein einziger Tanz, Verlag E.A. Seemann Henschel, 232 Seiten mit zahlreichen Fotos, 26 Euro

 

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