autobiografisch geprägt

„Delphine über den Dächern“ - Ein Ballettroman aus Paris

Mit Odette Joyeuxs „Delphine über den Dächern“ tauchen Leser*innen in die Atmosphäre der 1950er Jahre der berühmten Pariser Ballettschule der Oper und damit auch als Teil des berühmten Opernhauses ein.

München, 24/03/2021

Nein, mit den intelligenten Säugetieren aus dem Wasser, wenn man das Wort ‚Delphine‘ (traditionelle Rechtschreibung) deutsch ausspricht, hat dieser Ballettroman der 50er Jahre rein gar nichts zu tun, obwohl diese Tiere bis zu 7 Meter hoch springen können. Vom Sprung - der anderen Art - ins kalte Wasser handelt der französischen Ballettkrimi „Die verbotene Tür“ (Originaltitel: “L’âge heureux) einer französischen Fernsehserie aus dem Jahr 1966 auf Grundlage von Odette Joyeuxs Jugendbuch „Coté jardin:mémoires d’un rat“. Mit Odette Joyeuxs „Delphine über den Dächern“, so der hier vorliegende deutschsprachige Jugendbuchtitel, tauchen die Leser*innen in die Atmosphäre der 1950er Jahre der berühmten Pariser Ballettschule der Oper und damit auch als Teil des berühmten Opernhauses ein.

Darin schildert die Autorin ihre Erlebnisse aus ihrer Zeit als Ballettschülerin („rat“) dieser Ballettakademie. Das autobiografisch geprägte Buch gewährt einen eindrucksvollen, vor allem schonungslosen Blick hinter die Kulissen der oft unterschätzten, teils erbarmungslosen und zugleich faszinierenden Ballettwelt, die weit mehr ist als ein sanftes Tutu. Schonungslos auch deshalb, weil Odette Joyeux aus erster Hand berichtet. Dabei ist es unerheblich, ob sich die Ereignisse um die Protagonistin der zwölfjährigen Elevin Delphine Nadal tatsächlich zugetragen haben oder haben könnten. Der Ballettmikrokosmos, der sich hier auftut, reicht von rückhaltloser Begeisterung und Perfektionswillen über Intrigen bis hin zu Suizidgedanken.

Die Elevin Delphine Nadal und ihre Kolleginnen erleben schon als Schülerinnen die Höhen und Tiefen einer Ballettkarriere, Konkurrenz, Eifersuchtsdramen und Leidenschaft; die Rolle und auch Macht eines Tänzers und Choreografen wie hier: Ivan Karloff und scheinbar nebenbei ein nicht unproblematisches Mutter-Tochter-Verhältnis, ganz zu schweigen von den Herausforderungen des Schulalltags. Das Buch, dem eine gewisse Patina anhaftet - eben als Zeitzeugnis - kann gewissermaßen auch als Lehrbuch des Lebens verstanden werden. Die Offenlegung des Spagats zwischen (auch eigenem) Anspruch und (auch eigenen) Erwartungen an die Ballettkunst und an den Schulalltag, ohne daran zu zerbrechen, ist das Verdienst dieses Buches, das nichts an seiner Aktualität verloren hat, gerade wenn man an die aktuellen Diskussionen angemessener Ausbildung rund um die Ballettakademien in Paris, Wien oder Berlin denkt.

Man mag vielleicht einwenden, dass die Schilderungen etwas angestaubt, ja klischeehaft wirken könnten und daher eher ballettbegeisterte Jugendliche als ein breites jugendliches Publikum ansprechen dürfte. Ja und nein. Das Buch lässt im Vorwort berühmte zeitgenössische Tänzerpersönlichkeiten wie die junge Ballerina Yuri Isaka, Polina Semionova und Eric Gauthier zu Wort kommen. Überdies enthält dieses Werk eine Übersicht von Ausbildungsstätten für eine Profikarriere. Leser*innen können sich nach der Lektüre ein Bild darüber machen, wie die Ballettwelt und auch die Welt Heranwachsender tickt, ein Aspekt, der nicht zu unterschätzen ist. Gerade in Zeiten wie diesen, der Kontaktbeschränkungen, der geschlossenen Opernhäuser, sind diese lebhaften und hautnahen Schilderungen Inspiration, Quell und Ermutigung zugleich. Identifizierend oder/ und als Ratgeber bietet dieses Werk Jugendlichen wertvolle Einblicke in den komplexen Ballettkosmos auf dem Sprung in ihre (berufliche) Zukunft.

Odette Joyeux: „Delphine über den Dächern“ - Ein Ballettroman aus Paris, Insel Verlag 2020, ISBN: 9783458364948, 14,00 €

 

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