Erwin Kecsek
Erwin Kecsek

Ein wahrer Künstler und ein faszinierender Mensch

Eine Lobpreisung auf Erwin Kecsek zu seinem 80. Geburtstag

Der Tänzer, Choreograf und Pädagoge Erwin Kecsek, der zahlreiche Kolleg*innen und Studierende prägte, blickt auf eine reiche Karriere zurück

München, 11/02/2021

Von Hansjürgen Schwarz

Für den Tanz war er berufen, der Pädagoge wurde eine Notwendigkeit, als er spürte, wie unzulänglich Balletttraining sein konnte. Das empfand er schon als junger Tänzer an der Staatsoper Temeswar. Die Ausbildung hatte er an der Ballettakademie in Cluj-Napoca (Klausenburg) zugleich mit dem Abitur abgeschlossen.

Was macht ein blutjunger Tänzer, der in seinem ersten Engagement an der Staatsoper seiner Heimatstadt Temeswar mit dem täglichen Training nicht wirklich zufrieden ist? Er geht in jede Ballett- und Opernvorstellung, wenn er nicht selbst tanzen muss. Er will lernen, er will verstehen wie zeigt sich Qualität und er erkennt, es sind die kleinen Nuancen, die einer Figur Leben verleihen. Die großen Posen machen Wirkung, die Nuancen kreieren aus einer „Marionette“ einen Charakter. Das wird sein Schaffen als Tänzer, als Choreograf und besonders sein Wirken als Pädagoge bestimmen.

Aber erst fordert Erwin Kecsek die Bühne. In die Proben wirft er sich so hinein, dass Gastchoreograf*innen und Ballettmeister*innen wie selbstverständlich ihre Arbeit mit ihm teilen. Die Intensität, mit der er seine Rollen gestaltet, begeistert Kollegen und Publikum. Der Junge muss gefördert werden! Erstaunlich, da im Rumänien der sechziger Jahre deutschstämmige Banater Schwaben eher an den Rand gedrängt werden. Er aber wird zu weiteren Studien nach Dresden zu Gret Palucca geschickt und als Höhepunkt seiner Fortbildung nach Leningrad an das Waganowa Ballett Institut delegiert. Die dortigen Künstler*innen und Pädagog*innen hinterlassen prägende Erfahrungen, die seine eigene pädagogische und künstlerische Entwicklung in Rumänien und nach seiner Übersiedlung nach Deutschland beeinflussen.

Kecsek wird bewusst, dass künstlerische Kraft und Ausdruck erarbeitet werden müssen, zum einen technisch, aber mit gleicher Bedeutung durch die seelische Durchdringung des Charakters einer Figur. Ebenso beschäftigt Erwin Kecsek die Frage: ist eine Bewegung, eine Pose nur schön, also „l‘art pour l‘art“, oder ist sie Ausdruck einer innewohnenden Notwendigkeit? Ihm wird klar, dass Training mehr sein muss als körperliche Ertüchtigung. Es muss mit der Technik auch Kunst vermitteln, Fragen stellen und Antworten provozieren. Seine Proben, sein Unterricht werden mitunter zu einem Gang durch Tanz-, Musik- und Kunstgeschichte. Er bietet an, den Wert dessen muss man selbst erkennen und für sich nutzen.

So gestaltet Erwin Kecsek seine Rollen als Tänzer, so legt er auch seine Choreografien und die Regiearbeiten von Operetten und Musicals an, zu denen er vielfältig eingeladen wird. Als Ballettdirektor in Lüneburg gastiert er in Lübeck, Detmold, Oldenburg, wo er auch inszeniert und choreografiert.

Für Kolleg*innen und Publikum damals gehört sein Wirken zu den „goldenen Zeiten“ des Theaters, ganz gleich, ob es sich dabei um seine zahlreichen abendfüllenden Ballettaufführungen, um Operetten- oder Musical-Inszenierungen handelt. In seiner Zeit als Ballettchef und Solotänzer in Lüneburg reist halb Deutschland aus den Großstädten zu seinen Ballettabenden an; das Publikum wird „ballettsüchtig“ und die Kritik feiert den Geschmack und die Qualität seiner Arbeiten. Ihn als Genie zu bezeichnen war vielen nicht zu hoch gegriffen. In seinem Buch „Vorhang auf!“ Theater in Lüneburg 1946 – 1990 beurteilt Torsten Hünke von Podewils Kecseks Wirken am Stadttheater Lüneburg als die glanzvollsten Zeiten in der Geschichte dieses Hauses. Er erhält Auszeichnungen der Stadt Lüneburg für seine Verdienste um das Theater und die Ehrennadel der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehörigen für sein langjähriges Wirken im Prüfungsausschuss, wo er für seinen hohen Qualitätsanspruch nicht nur geliebt wurde.

Seit 1985 gibt er als Professor für klassischen Bühnentanz an der Akademie des Tanzes der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim seine Erfahrungen und seinen Enthusiasmus an junge Tanzstudierende weiter. Dem Auftritt der AdT bei den Ludwigsburger Festspielen im Schlosstheater stellt Horst Koegler im koeglerjournal am 7. Juli 2002 ein glänzendes Zeugnis aus: „Besonders im ersten Teil des Programms, das vielversprechend mit der paprikagewürzten ‚Grand Palotás de la Reine‘ für vier Tanzpaare begann, choreografiert von Erwin Kecsek – ein Stück, in dem die Mannheimer Junioren unter Beweis stellten, mit welch einer Lust sie bei der guten Sache sind.“

Einladungen als Gastprofessor und Coach führen ihn seitdem auch nach Nordamerika und Asien. Als Mitglied von Prüfungskommissionen und Juror bei internationalen Wettbewerben macht er seinen Einfluss auf die Qualität des tänzerischen Nachwuchses geltend. Ich kenne Erwin Kecsek schon seit 1972 als wir gemeinsam in der Prüfungskommission der Bühnengenossenschaft saßen. In Dankbarkeit für seine donauschwäbische Heimat setzt sich Kecsek für den rumänischen Tänzernachwuchs ein und vermittelt Stipendien, die dem Nachwuchs aus Cluj-Napoca (Klausenburg) ein Studium an der Akademie des Tanzes in Mannheim ermöglichten. Viele konnten sich hier so entwickeln, dass sie bei nationalen und internationalen Wettbewerben erste und zweite Preise errangen und glänzende Engagements erhielten.

Er ist wohl immer noch sehr beliebt, der Theatermensch und Pädagoge. Anders ist es nicht zu erklären, dass immer noch, nach so vielen Jahren, ehemalige Kolleg*innen und Studierende gerne zu einem Tee oder Kaffee an seinem runden Biedermeiertisch und unbequemen Biedermeierstühlen sitzen und gemeinsam an alte Zeiten erinnern. Erwin Kecsek ist ein wahrer Künstler und ein faszinierender Mensch. Wir gratulieren zu seinem 80. Geburtstag am 14. Februar 2021.

 

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