Ein Vorbild werden

Statement der Intendanz zu den Rassismusvorfällen am Staatsballett Berlin

Struktureller Rassismus sei ein Problem unserer Gesellschaft. Die rassistischen und Diskriminierungs-Vorfälle am Haus, die in den letzten Tagen ans Licht kamen, haben es sehr getroffen und gezeigt, dass etwas getan werden müsse.

Berlin, 08/12/2020

Die Intendanz des Staatsballett Berlin hat ein Statement zu den rassistischen und Diskriminierungs-Vorfällen veröffentlicht. Es will sich umfassend damit beschäftigen um somit "überholte und diskriminierende Aufführungsweisen aufzudecken und Traditionen in neuem Licht und mit anderem Bewusstsein zu sehen und neu zu bewerten".

 

STATEMENT DER INTENDANZ ZU DEN RASSISMUS-VORFÄLLEN AM STAATSBALLETT BERLIN

Das Staatsballett Berlin beschäftigt derzeit 91 Tänzer*innen aus über 30 Nationen. Wir als Compagnie waren deshalb der Überzeugung, internationale Diversität sensibilisiere uns bereits ausreichend für Rassismus- und Diskriminierungsproblematiken. Genau da lagen wir falsch!

Struktureller Rassismus und Diskriminierungen sind ein Problem unserer Gesellschaft. Als staatliche Institution sind wir nicht davor gefeit. Die rassistischen und Diskriminierungs-Vorfälle an unserem Haus, haben viele von uns sehr getroffen und gezeigt, dass an den nötigen Kompetenzen, um mit Diskriminierung jeglicher Form entsprechend umgehen zu können, hart gearbeitet werden muss, um letztendlich tiefgreifende Veränderungen in Gang zu setzen.

UMSTRUKTURIEREN DER COMPAGNIE
Seit die ehemalige Intendanz, Sasha Waltz und Johannes Öhman, die Compagnie in der letzten Spielzeit überraschend verließ, befindet sich das Staatsballett Berlin in einer Übergangsphase, auf der Suche nach einer neuen Leitung. In Anbetracht der Diskussionen, die sich in den letzten Wochen entfachten, sehen wir dies als Möglichkeit, unsere Compagnie neu auszurichten und nach vorn zu sehen, auch um eine geschützte und wertschätzende Atmosphäre für alle Mitarbeiter*innen, vom Corps de ballet über die Ersten Solist*innen bis hin zur Produktion und Verwaltung, zu schaffen. Es ist unsere Priorität, ein Arbeitsklima zu fördern, das alle Mitarbeiter*innen dazu ermutigt, bei Grenzüberschreitungen oder bei Konflikten die Stimme zu erheben. Als staatliche Institution können wir nicht Teil des Problems sein; wir müssen ein Vorbild werden.

ÜBERARBEITEN DES REPERTOIRES
Das betrifft natürlich auch ganz zentral unser Repertoire. Das gilt es näher zu untersuchen, um überholte und diskriminierende Aufführungsweisen aufzudecken und Traditionen in neuem Licht und mit anderem Bewusstsein zu sehen und neu zu bewerten. Wir sind uns bewusst, dass das Ballettgenre People of Colour im Laufe seiner Geschichte marginalisierte. Wir sehen es als unseren künstlerischen Auftrag an, ein Spiegel der Gesellschaft zu sein. Unser Repertoire muss in seiner künstlerischen Strahlkraft diese Diversität abbilden.

NULL TOLERANZ UND CLEARINGSTELLE
Jegliche Form von Diskriminierung und Rassismus sind in unserer Compagnie nicht tragbar. Wir als Intendanz haben uns unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe an verschiedene Stellen gewandt: an die Themis-Vertrauensstelle für sexuelle Belästigung und Gewalt e.V., an Diversity Art Culture, das Berliner Projektbüro für Diversitätsentwicklung, an die Diskriminierungsbeauftragten eines Berliner Theaters und an die Senatsverwaltung für Kultur. Es haben außerdem Beratungen durch Spezialist*innen für eine diversitätsorientierte Organisationsentwicklung stattgefunden und im Dezember 2020 wurde eine Clearingstelle eingerichtet, an die sich alle Beschäftigten des Staatsballetts wenden konnten.

An die Clearingstelle konnten sich Beschäftigte wenden, um von ihren Erfahrungen und ihrer Wahrnehmungen zum Thema Diskriminierung zu berichten. Damit die Beschäftigten sich äußern, wurden die Gespräche anonym geführt. Dadurch haben wir einen umfassenderen Überblick zu unterschiedlichen Themenbereichen wir Diskriminierungserfahrungen, Führungsverhalten und Organisationskultur bekommen, können aber keine Rückschlüsse auf einzelne Personen ziehen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in der Vergangenheit einzelne Mitarbeiter*innen Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. Die Ergebnisse dienen als Entscheidungsgrundlage für weitere gezielte Maßnahmen, wo nötig.

MAßNAHMEN UND WORKSHOPS
Im Januar gab es eine Auftaktveranstaltung, in der der kompletten Belegschaft allgemeine Grundlagen zu Diskriminierung und Diversität erläutert wurden. Ziel der Veranstaltung war nicht nur die Schulung an sich, sondern auch eine Dialogfähigkeit herzustellen. Themen rund um Diskriminierung und Diversität sollen betriebsintern nicht tabuisiert werden, sondern kritisch und reflektiert in einem offenen Dialog hinterfragt werden können.

Mit bestimmten in besonderer Verantwortung stehenden Beschäftigtengruppen wurden gezielt Workshops durchgeführt, insbesondere der Leitungsebene, den Ballettmeister:innen, aber auch Mitarbeiter:innen der Öffentlichkeitsarbeit. Eine Berichtspräsentation hat gegenüber den Beschäftigten stattgefunden einschließlich Erläuterung rechtlicher Grundlagen und unter Hervorhebung der Mechanismen der Täter-Opfer-Umkehr. Weitere Workshops werden zu gegebener Zeit folgen.

Wichtig ist zunächst, dass das Staatsballett aus einer Sackgasse kommt: wenn Mitarbeitende Angst haben, sich zu äußern oder nicht möchten, dass Personen auf Fehlverhalten angesprochen werden, werden Problem nicht bekannt und können nicht adäquat gelöst werden.

Da ein Organisationsentwicklungsprozess lange dauert, können zum jetzigen Zeitpunkt nicht alle Maßnahmen abschließend benannt werden. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass neben weiteren fokussierten Schulungen zu den Themen Diskriminierung und Diversität und einem adäquaten Beschwerdemanagement auch Feedbackkultur, die Reflektion der eigenen Macht und Wirkungsweise von Entscheidungsträger*innen und Transparenz von Entscheidungen künftig eine größere Rolle spielen werden.

Intendanz des Staatsballetts Berlin

Quelle: https://www.staatsballett-berlin.de/de/statement

 

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