Das Ausstellungsprojekt „Body Performance“ im Berliner Museum für Fotografie zeigt u.a. Bernd Uhligs Fotografien zu Sasha Waltz: „Körper“

Das Ausstellungsprojekt „Body Performance“ im Berliner Museum für Fotografie zeigt u.a. Bernd Uhligs Fotografien zu Sasha Waltz: „Körper“

Bilder in Bewegung

Bernd Uhlig fotografiert Körperinszenierungen von Sasha Waltz

Zu sehen im Rahmen des Ausstellungsprojekts „Body Performance“ im Berliner Museum für Fotografie – und soviel sei vorweg genommen: ein absolutes Must für jede*n Kunstinteressierte*n über die Insiderszene von Tanz und Fotografie hinaus!

Berlin, 16/08/2020

Von Stephanie Schroedter

Körper – zumeist in undefinierbaren Räumen, alltäglichen Rhythmen und Routinen enthoben, scheinbar schwerelos schwebend und doch gekrümmt, gebückt, verdreht, gestaucht oder gestreckt. Als ob diese Körper gegen unsichtbare Widerstände ankämpfen müssten – oder sich selbstvergessen von imaginären Kräften treiben lassen dürfen. Mit ihren schier endlosen und immer wieder neu frappierenden Bewegungsmetamorphosen bilden diese Körper den Nukleus zu Bildern einer Ausstellung, die der international viel beachtete (Musik-)Theater- und Tanzfotograf Bernd Uhlig in den letzten rund zwanzig Jahren aus Choreographien von Sasha Waltz destillierte und rekomponierte, indem er tänzerische Augen-Blicke vom Bühnenraum in einen fotografischen Raum überführte, dabei transformierte, wenn nicht sogar transzendierte.

Sie sind im Rahmen des äußerst ambitioniert konzipierten Ausstellungsprojekts „Body Performance“ in den Räumen der Helmut Newton Stiftung des Berliner Museums für Fotografie zu sehen – und soviel sei an dieser Stelle schon vorweg genommen: Es handelt sich hierbei um ein absolutes Must für jede/n entdeckungsfreudige*n Kunstinteressierte*n, weit über die Insiderszene von Tanz, Theater und Fotografie hinaus!

Da sehen wir Körper, die eine Bildfläche dominieren und sich gleichzeitig in ihr verlieren: schwarz auf weiß, scheinbar unscheinbar und mit Unschärfen versehen, die kontrastreiche Konturen evozieren. Der fotografischen Zweidimensionalität beharrlich trotzend muten diese Körperbilder durch ihre Plastizität wie Skulpturen an, gleichzeitig überwinden sie durch ihre eigenwillige Dynamik jegliche Distanz zu ihren Beobachter*innen. Diese Körper sind unmittelbar greifbar und doch seltsam unbegreiflich – Nähe und Ferne zugleich, um sich diesem Phänomen mit Walter Benjamins vielstrapazierten und doch so überzeugenden Begriffen von Spur und Aura zu nähern.

Nicht weniger gelingt es Uhlig, das suggestive Potenzial von Räumen fotografisch einzufangen: Räume, die in ihrer Weite und Höhe unbegrenzt erscheinen, und denen trotz Kargheit eine bezwingende, wenn nicht sogar überwältigend berauschende Intensität innewohnt. Räume, die Körper zum Verschwinden bringen können. Und doch sind es Körper, die diese Räume zuallererst (als Erfahrungsräume) entstehen lassen – erst durch sie erhalten diese Räume eine lebendige Dynamik, die scheinbar Unvereinbares miteinander verwebt: Stillstand und Bewegung. Gerade durch die fotografische Überformung der realen Körperinszenierungen mutet die choreografierte Bewegung merkwürdig still an, und erst der Stillstand offenbart die Quellen der tänzerischen Bewegungsimpulse.

Eine eindringliche Ambivalenz durchzieht diese Fotos – es geht niemals um klares Verstehen und eindeutiges Erkennen, stattdessen geben diese Bilder Rätsel auf, und mehr: sie eröffnen Fragen, die nicht unbedingt beantwortet werden wollen. Frei von dokumentarischen Zwängen scheinen diese Fotos vor allem danach zu fragen, was Körper ausmacht, wo sich Körper (durch Bewegung) bilden, was Körper (bei sich selbst und bei ihrem Gegenüber) bewirken (können) und wo sich Körper (durch Bewegung) auflösen.

Repetition als Wiederholung von Ähnlichem, aber niemals Gleichem, und Kontrapunkt als Gegenüberstellung gegensätzlicher und doch einander verwandter Formen oder Dynamiken sind zweifellos zentrale Parameter dieser Bildrhythmen. Skurrile Gestalten bis hin zu Kippfiguren und irritierende Körperformationen sind dabei willkommene Themen und Motive, die Ausgangspunkte zu den vielfältigen Variationen dieser Bildkompositionen bilden. Dennoch geht es nicht um Tänzerportraits, sondern um das wagemutige Unternehmen einer Portraitierung von Tanz – verstanden als künstlerisch gestaltete Körperbewegungen abseits alltäglicher Erfahrungswirklichkeiten (selbst wenn sie dort ihren Ursprung haben). Und so ist es letztlich vor allem unsere Wahrnehmung, die durch Bernd Uhligs Fotos in Bewegung gerät – und es ist unsere Imagination, die diese Körperbilder (bildlichen Körper) und Bildkörper (körperlichen Bilder) in Bewegung hält.

 

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