Bilderbogen der Stile und Talente

5. Festival Internationaler Ballettschulen

Magdeburg, 09/07/2004

Im Frühsommer wird Magdeburg kurzzeitig zu einem Mekka des Tanzes: wenn Sachsen-Anhalts Hauptstadt zum Festival Internationaler Ballettschulen einlädt, das bereits ein kleines Jubiläum feiern kann. Zum fünften Mal stellten sich heuer Tanzstudenten einer zahlreicher werdenden Öffentlichkeit, demonstrierten ihre Schulen Stand und Standard der Ausbildung. Es ist dies kein Wettbewerb, wohl aber eine Art Leistungsvergleich, ohne Preisdruck für die Studenten, ohne Sieger und Verlierer. Jeder gewinnt an Praxiserfahrung, der sich hier präsentieren kann. Schulprofile und Ausbildungskonzepte vorstellen, sich ins Verhältnis zu anderen setzen, das Fachgespräch befördern, sich gegenseitig bereichern und ergänzen lautet das Festivalmotto. Denn gemeinhin lernen Studenten abgeschottet in ihrer Akademie und erfahren wenig, wie andern Orts gelehrt wird. Dies will das Magdeburger Festival – das einzigartig in Europa ist – ändern, will die Studenten und gleichsam ihre Schuldirektoren und manchen anreisenden Ensembleleiter breit informieren. Es ist damit auch Talenteschau.

Als gute Fee und webender Geist des Festivals firmiert Gisèle Santoro, eine langjährige Solistin des Magdeburger Balletts. Ihre Idee fand seit Beginn in der Stadtsparkasse, flankiert von weiteren Sponsoren, eine finanzielle Basis. Der Elbauenpark öffnete seine malerisch gelegene Seebühne als Aufführungsort und unterstützt auch organisatorisch, das Magdeburger Theater stellt die Technik zur Verfügung. Dennoch bleibt das Festival ein Ein-Frau-Unternehmen: Die gesamte Vorbereitung von der Auswahl der Schulen über Anreise- und Unterbringmodalitäten bis zur Abendbetreuung obliegen Gisèle Santoro – nebenberuflich gewissermaßen. Und die Resonanz der Adressaten ist von Anfang an überwältigend. Schulen aus ganz Europa haben das Magdeburger Podium zur Selbstdarstellung genutzt, von A wie Amsterdam über B wie Bratislava und Budapest bis Z wie Zürich. Alphabetisch dazwischen liegen Ausbildungsstätten etwa aus Kiew, London, Madrid und – im letzten Jahr – Brasilien. Dass ein Großteil der deutschen Spitzenschulen aus Ost (Berlin, Dresden, Leipzig) und, wie auch diesmal, West kamen, versteht sich von selbst. Der Wermutstropfen bleiben die Finanzen: „So knapp wie dieses Jahr war das Geld noch nie“, klagte Gisèle Santoro. Entsprechend knapper, verkürzt auf drei Tage und auch in der Zahl der eingeladenen Studenten begrenzt, fiel das Festival aus.

Es bot, entgegen der ursprünglichen Festivalphilosophie, jeder Schule einen eigenen Abend einzuräumen, ein gemeinsames Programm der Königlichen Ballettschule Antwerpen und der John Cranko-Schule Stuttgart sowie, an den restlichen Tagen, zwei unterschiedliche Galas. Die Antwerpener Schule besteht seit 1951 und lehrt sowohl klassischen wie auch zeitgenössischen Tanz. Besonders mit „Social Life“, einer formvollen, indes langen Studie über Teenagerverhalten zwischen Ernst und Witz, wussten die Studenten zu überzeugen, und auch im Divertissement aus „Paquita“, mit Interpreten erst um die 15, 16, hat sich manches Talent eingeprägt. Die Stuttgarter Akademie, 1971 gegründet, zählt zu den führenden deutschen Ausbildungsstätten. Durch den Einsatz im Stuttgarter Ballett schnuppern die Studenten frühzeitig Praxisluft, viele gewannen Preise bei Wettbewerben, so auch Andrey Pisaryev, der in Magdeburg mit seiner makellos drehenden Partnerin Janina Strejcek im Pas de deux aus dem Revolutionsballett „Die Flamme von Paris“ sprunggewaltig brillierte. In den beiden Galas zeigten insgesamt 90 Studenten von sieben Schulen (außer Antwerpen und Stuttgart die Konservatorien Prag und Wien, die Akademie Mannheim, die Ballett-Akademie München, die Theaterballettschule Magdeburg) aus vier Ländern mit 38 Darbietungen – klassischen, modernen und folkloristischen Kabinettstückchen – einen beeindruckenden Bilderbogen tänzerischer Stile, studentischen Vermögens, pädagogischen Geschicks und, bezogen auf manche Neukreation, choreografischer Einfühlung.

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