„Die vier Jahreszeiten“ am Theater Pforzheim

„Die vier Jahreszeiten“ am Theater Pforzheim

Gemeinschafts-Video-Projekt

Re-Inszenierung des Pforzheimer Balletts „Die vier Jahreszeiten“

Mit dem Gemeinschafts-Video-Projekt „Being human“ versucht sich das Tanzensemble um Guido Markowitz an einem Auftritt im Internet in Originalkostümen zwischen Topfpflanzen und Fernsehgerät - und kommt dem Publikum dabei sehr nah.

Pforzheim, 27/04/2020

Das waren noch Zeiten, als man ins Stadttheater Pforzheim gehen konnte, um sich Schulter an Schulter in ein gemeinsames Tanzerlebnis zu begeben. Wer die Uraufführung von „Die vier Jahreszeiten“ unter der Regie des Ballettdirektors Guido Markowitz gesehen hat, die am 25. Januar zum ersten Mal auf der großen Bühne gezeigt wurde, der hat unvergessliche Bilder in seinem Kopf gespeichert. Auch die von Max Richter neu interpretierte Musik von Antonio Vivaldis Jahreszeiten dürfte sich in den Gehörgängen eingenistet haben. In diesem Ballett wurde zum ersten Mal auch dem Tänzer Abraham Rodriguez Iglesias eine Solisten-Rolle auf den Leib choreografiert. Das ist schön. Denn eines ist bei aller Bemühung in Corona-Zeiten um wenigstens einen Hauch von Kultur und damit auch um ein Weiterbestehen des Ballettensembles auch klar: Eine Live-Inszenierung kann nichts ersetzen.

Da ist unbestreitbar im Vorteil, wer die leibhaftige Inszenierung noch aus der Erinnerung abrufen kann beim Abrufen des Videos im Internet. Denn dort tanzt das zu klosterähnlichem Verschluss verdonnerte Ensemble weiter. Anders und doch der Welturaufführung verhaftet. Es ist so gesehen nicht nur eine Neuauflage der „Vier Jahreszeiten“, sondern wiederum einen Welt-Uraufführung als Gemeinschafts-Video-Projekt. „Being human“ genannt. Mensch-Sein? Sei Mensch? Sei menschlich? Wir sind noch da als Menschen? Wohl alles zusammen genommen in diesem Experiment, das Guido Markowitz auf einen Impuls von Intendant Thomas Münstermann hin wagt mit seinen Tänzer*innen.

Und das hat was? Einen ganz eigenen Charme nämlich. Jedes einzelne Mitglied des Ensembles hat voneinander abgetrennt in den Privaträumen eine Kamera aufgestellt. Und diese wird insgesamt vier Mal aufzeichnen, wie das Ensemble durch die Jahreszeiten tanzen. In ihrem Wohnzimmer zwischen Topfpflanzen und Fernsehgerät. Im Schlafzimmer, die Matratze des Futons mit einbeziehend (im Hintergrund das zusammengeklappte Bügelbrett hinter der Schrankwand). Auf der Terrasse, wer denn eine hat. Natürlich tun dies die Tänzer*innen nicht im Schlafanzug oder in ausgebeulter Jogginghose. Sie haben ihre von Marco Falcioni entworfenen Originalkostüme an. Und sie sind frei in ihrer Gestaltung, die Elemente des Tanzes sind wiedererkennbar, müssen aber natürlich an die räumlichen Gegebenheiten angepasst werden. Große Sprünge sind da nicht drin. Vielleicht wird deshalb jede Mimik, jede noch so kleine Bewegung bedeutsamer und eindrücklicher. Und da wird auch der Vorteil dieser Inszenierung klar, bei der die Ausschnitte wechseln, nebeneinander gestellt werden und zuletzt als eine Art Mosaik das Ensemble am Bildschirm dann doch wieder zusammenführt auf eine Bühne: Man kommt den Tänzer*innen nah und ist so noch mehr mitten im Geschehen als es bei einer Live-Aufführung im Theater der Fall wäre.

Das mit Hilfe des Kölner Videofilmers und Tänzers Michael Maurissens umgesetzten Reenactments des Balletts „Die vier Jahreszeiten“ trägt den Titel „Being human“ und besteht entsprechend des Inhalts und der Struktur der Bühnenfassung aus vier Videoclips. Der erste Teil ist bereits zu sehen; die drei weiteren werden bis Mitte Mai 2020 veröffentlicht.

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