Die Kompanie Ailey II 

Die Kompanie Ailey II 

Der Preis für Herzenswünsche

Ailey II gastierte mit einem zeitgenössischen Programm im Ludwigshafener Pfalzbau

Die zwölfköpfige Truppe, 1974 von Alvin Ailey gegründet, will die Philosophie ihres Gründers zukunftsfähig machen: sowohl die Bewahrung des afroamerikanischen kulturellen Erbes als auch die Vision einer humanitär geprägten Gemeinschaft.

Ludwigshafen, 20/01/2020

Es gelingt nicht so oft, dass eine Tanzkompanie nach dem frühen Tod eines charismatischen Gründers einerseits dessen Erbe verpflichtet bleibt, andererseits ein zukunftsträchtiges Profil findet. Hierzulande ist dieser Spagat zum Beispiel dem Stuttgarter Ballett nach dem Flugzeugabsturz von John Cranko gelungen.

In den USA ist „Alvin Ailey“ rund 30 Jahre nach dem frühem Tod des charismatischen Tänzers und Choreografen heute ein amerikanisches Markenzeichen – mit eigenen Studios und Theater in New York, mit einer umfassenden Präsenz durch Workshops im ganzen Land und mit einer ebenso intensiven Medienpräsenz.

Alvin Ailey hat 1958 mit der ersten Gründung eines Modern Dance Ensembles für TänzerInnen mit ausschließlich dunkler Hautfarbe Tanzgeschichte geschrieben. Sein 1960 choreografiertes Stück „Revelations“, die tänzerische Umsetzung traditioneller Gospels und Spirituals, wurde zum international erfolgreichen Signaturstück der selbstbewusst als „American Dance Theatre“ firmierenden Gruppe. Jahrzehntelang wurde dieses Stück zum Abschluss jeder Aufführung getanzt.

Schon 1974 hatte Alvin Ailey ein zusätzliches Juniorensemble gegründet, „Ailey II“. Es versammelte nicht nur begnadete Nachwuchstänzer, sondern bot zugleich jungen Choreografen eine Plattform. Bei einem Gastspiel von Ailey II im Pfalzbau konnte sich das Ludwigshafener Publikum selbst ein Bild davon machen, wie die zwölfköpfige Truppe die Philosophie ihres Gründers zukunftsfähig machen will: einerseits die Bewahrung des afroamerikanischen kulturellen Erbes, anderseits die Vision einer humanitär geprägten Gemeinschaft, in der ethnische Herkunft und Hautfarbe nicht die geringste Rolle spielen.

Der Herausforderung, traditionelle afroamerikanische Kultur – einschließlich einiger augenzwinkernd servierter Klischees – ins Heute zu transportieren, hatte sich der Südamerikaner Bradley Shelver in „Where are the Tongues“ (2018) gestellt. Zu komplexen Rhythmen der französischen A-Capella-Formation Lo Còr De La Plana ist daraus ein mit hohem Tempo aufgeladenes, mit traditionellen folkloristischen Elementen gespicktes Tanzfest geworden.

Im zweiten Stück des Abends schlug die große Stunde des Saxophons. Originalmusik von Lamar Harris beschwor die Blütezeit schwarzer Musik und Literatur im Harlem der zwanziger und frühen dreißiger Jahre – wo Schwule und Lesben nur im Verborgenen wirken durften. „Still“ (2019) des früheren Ailey-Tänzers Kirven Douthit-Boyd erzählt herzzerreißend von der Begegnung eines schwulen Paares – die emotionale Achterbahnfahrt ist auch rund 100 Jahre später mehr als nur Geschichte: „Still“...

Dem in Jamaika geborenen Renee I. McDonald ist mit „Breaking Point“ ein großer Wurf gelungen. Zu den hypnotisierenden Klängen von Audiomachine, die dieses Bewegungsfeuerwerk wie maßgeschneiderte Filmmusik begleiten, wird auf der Bühne bis zum „Breaking Point“ getanzt – der dann erreicht ist, wenn individuelle Herzenswünsche in Erfüllung gehen. Dieser mitreißenden Energie konnte auch das Publikum nicht widerstehen: Standing Ovations bis in die letzte Reihe.
 

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