„We are used to being darker“ von go plastic company

„We are used to being darker“ von go plastic company

Die Schere der Wahrnehmung

Die Dresdner go plastic company lädt zu einer kuriosen Performance auf eine Kegelbahn

„We are used to being darker“ fragt nach Systemen der Inhaftierung und stellt sich deren sozialen Dynamiken.

Dresden, 25/10/2019

Wo fängt man an, um dieses Projekt zu erklären? Warum agieren neun weibliche Performerinnen ausgerechnet auf den polierten Böden einer Kegelbahn in Dresden Hellerau? Dazu muss man wissen, dass sich die beiden kreativen Köpfe der Dresdner Performance-Gruppe go plastic company, Cindy Hammer und Susan Schubert, schon seit längerem zum einen mit dem Themenfeld Spiele und deren Reglementierungen und zum anderen mit der Hinterfragung des Systems der Inhaftierung von straffällig gewordenen Menschen beschäftigen. Beide Bereiche haben sie jetzt mit ihrer neuen Arbeit „We are used to being darker“ zusammengeführt. „Nach einem Stück mit rein männlichem Cast in 'Go West, Young Men' wollten wir ein weibliches Pendant schaffen. Der Titel bezieht sich dabei auf die Tatsache, dass wir Frauen es kennen, immer wieder dunkle Phasen im Leben durchzumachen“, so Cindy Hammer. Und was könnte dabei dunkler sein als eine Gefängniszelle?

So stehen also neun Performerinnen mit dem Rücken zum Publikum und putzen sich die Zähne. Zwischendurch spucken sie immer wieder in kleine Plastikbecher. Alle tragen Variationen einer Art Anstaltsuniform, alle im gleichen Orangeton gehalten. Die Anspielung an die Gefängnisserie „Orange is the new black“ ist dabei offensichtlich. „Wir haben uns viel mit Filmen und Serien auseinandergesetzt“, so Susan Schubert. In ihrer Recherchearbeit hat das Produktionsteam zwar unterschiedlichste Quellen genutzt, ist aber bewusst nicht in eine Haftanstalt gegangen. Um realistische Einflüsse eines tatsächlichen Gefängnisalltags oder die Strukturen der Rechtsprechung ging es nicht. Vielmehr steht die Reflexion im Vordergrund, was es mit einem Menschen macht, wenn er eingesperrt ist, auf begrenztem Raum mit anderen. Was passiert konkret, wenn Frauen in einem solchen Raum aufeinandertreffen? Zum Cast gehört dabei auch Michael Tucker, der aber, besonderer Clou, abwesend ist. Er ist nicht mehr da, heißt es. Auch das, besonders dieser Punkt, befragt die soziale Rolle von Geschlechtern.

Die geregelte Übersichtlichkeit einer Kegelbahn und eben die Art, in der sich die Performerinnen diesen Raum aneignen, der ja explizit nicht als Raum für Kunst konzipiert ist, zeigt die Komplexität der Thematik. Der Raum mit seinen geraden Bahnen und digitalen Anzeigen gibt einen strengen Rahmen vor. Dieser Rahmen wird genau in jenem Moment gebrochen, wenn die Performerinnen sich quer über die Kegelbahnen bewegen. Das wirkt wie ein Einbruch eines Systems in ein anderes. Trotz dessen bleiben alle in dieser Konstellation unfrei, viele Gesten laufen ins Leere. Ganz klar bleibt das Miteinander auch nicht frei von Gereiztheit, bis hin zu Aggressionen. Teils äußerst illustrative Musik führt dabei in die Irre: Alles bleibt sprachlos, ohne erklärenden Kommentar. Befragt werden immer wieder die gesellschaftlichen Normen von Weiblichkeit. Besonders eindringlich gerät dabei eine Szene, in der die jüngste Performerin, gerade einmal neun Jahre alt, ganz in der Manier einer abgeklärten Gefängnisaufseherin auf einem Stuhl sitzt, die Beine auf dem Tisch, und sich über den großen Zeh ein Freundschaftsbändchen knüpft, während Johanna Roggan sie aus der Ferne anfaucht. Ein kurzes Fauchen zurück, mehr nicht. Da kann Johanna Roggan so lange fauchen, wie sie will. Das ist stark, das sitzt. Und das ist bitterböse, besonders dann, wenn eben jemand anderes die Spielregeln bestimmt.
 

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