„Der Palast“ von Constanza Macras und DorkyPark

„Der Palast“ von Constanza Macras und DorkyPark

Keine eigene Bühne

„Den Tanz in Berlin deutlich stärken“ - Aber wann denn nun?

Aktuelle Förderempfehlungen und Senatsentwurf für den Doppelhaushalt 2020/2021 in Berlin ernüchternd für die Kunstform Tanz – Höchste Zeit die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag und die Empfehlungen des Runden Tisch Tanz umzusetzen!

Berlin, 24/06/2019

Die Berliner Regierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag 2016-2021 für eine deutliche Stärkung des Tanzes ausgesprochen. Der von der Szene eingeforderte und im Jahr 2018 durchgeführte Runde Tisch Tanz (RTT) machte einmal mehr deutlich, wie groß der Nachholbedarf für den Tanz innerhalb der Berliner Kulturlandschaft noch immer ist: Inklusive Staatsballett wird die gesamte Kunstsparte Tanz mit durchschnittlich 15,3 Millionen Euro pro Jahr öffentlich gefördert – dies entspricht z.B. dem Etat eines einzelnen Sprechtheaters, der Schaubühne. Der Berliner Tanz hat keine eigene Bühne, an der er verortet ist, institutionelle Förderung erhalten bisher lediglich vier Kompanien.

Es bleiben neben der Einzelprojektförderung also nur die mehrjährigen Instrumente – Basis- und Produktionsortförderung, Konzeptförderung, Spartenoffene Förderung und Festivalförderung –, um die fehlende institutionelle Verankerung wenigstens in Ansätzen aufzufangen. Mit den aktuellen Förderempfehlungen für die nächsten zwei bis vier Jahre und dem Senatsentwurf für den Doppelhaushalt 2020/2021 hätte diesem Missstand ein erstes starkes Zeichen entgegengesetzt werden können. Das Zeichen blieb jedoch aus, auch wenn punktuelle Erhöhungen zu verzeichnen sind. Die Politik muss endlich eine Antwort darauf finden, wie sie „den Tanz in Berlin stärken und die Tanzförderung in den kommenden Jahren strukturell in allen Fördersäulen ausbauen“ will (Koalitionsvertrag).

Konzept- und Basisförderung
Laut Gutachterempfehlungen zur Konzeptförderung sollen ab 2020 mit Tanzfabrik und DOCK 11 erstmals zwei Choreografische Zentren in dieses Förderprogramm aufgenommen werden. Das ist zwar erfreulich und mehr als überfällig, aber bei jeweils 400.000€ Jahresetat lässt sich kaum von Institutionalisierung sprechen. Auch wenn man die ein- und zweijährige Produktionsortförderung dreier weiterer explizit Choreografischer Arbeitsorte hinzuzählt (ada Studio, Lake Studios, Wiesenburg), ist noch nicht einmal die Million erreicht. Bei fast 2500 in Berlin ansässigen Tanzschaffenden werden fünf genuine Orte für Tanz und Choreografie mit 955.000€ jährlich gefördert – einem Sechzehntel des Etats eines einzelnen der großen Berliner Theaterhäuser. Natürlich wird der Tanz auch an spartenübergreifenden Häusern wie den Sophiensaelen, dem HAU und an teilgeförderten Spielstätten wie dem Radialsystem produziert bzw. präsentiert, zugleich aber zu einem erheblichen Teil an zahlreichen ungeförderten Orten.

Und auf Künstler*innenseite? Institutionell gefördert sind die Tanzensembles von Staatsballett, Sasha Waltz & Guests sowie mit aktuellen Aufwüchsen die cie. toula limnaios und Constanza Macras|DorkyPark. Die vier Berliner Tanzensembles können zusammen 110 Tänzer*innen im festen Arbeitsverhältnis beschäftigen. Darüber hinaus bleibt Tanzschaffenden als Schlüsselinstrument für Aufbauarbeit und Kontinuität nur die zwei- und vierjährige Basisförderung. Gerade weil der Tanz fast nicht an institutionellen Strukturen partizipiert, müsste hier ein enormes Schwergewicht liegen. Den Forderungen von 2017 folgend, hat der Runde Tisch Tanz daher auch für den Haushalt 2020/2021 substanzielle Mittelaufwüchse von knapp 1,8 Millionen allein für die Basisförderung jährlich veranschlagt. Ein solcher Mehrbedarf ist notwendig, um der hohen Anzahl förderwürdiger Künstler*innen / Kollektive gerecht zu werden, die seit vielen Jahren die Berliner Tanzlandschaft prägen und somit deren eigentliche Struktur bestimmen, und um über singuläre Projektarbeit hinaus Festigung, Ensembleaufbau und Honoraruntergrenzen zu ermöglichen. Mit den aktuellen Förderergebnissen wird für den Tanz ein Aufwuchs empfohlen, allerdings beläuft sich dieser (ca. 450.000€) auf noch nicht einmal ein Drittel der Forderung. Die Jury hatte angesichts der viel zu geringen Mittel kaum eine Handhabe. So gehen abermals viele etablierte Tanzschaffende leer aus und werden die meisten von den elf zur Förderung Empfohlenen deutlich niedrigere Fördersummen als die beantragten und für die künstlerische Produktion notwendigen Mittel erhalten. Tanzbüro/ZTB/TRB haben bereits 2017 einen durchschnittlichen Jahresbedarf von 200.000€ pro Kollektiv ermittelt und kommuniziert, die aktuellen Förderungen liegen im Schnitt bei der Hälfte!

Vierjährige Festivalförderung
Noch schlechter sieht es in der neuen vierjährigen Festivalförderung aus, mit der auf anderer Ebene wichtige strukturelle Anker für den zeitgenössischen Tanz ausgeworfen werden müssten: Unter den 26 Förderungen der vierjährigen Festivalförderung befindet sich mit der Tanznacht Berlin lediglich ein biennales Tanzfestival, der Etat entspricht weniger als 3% des bewilligten Gesamtvolumens. Während einige Sparten überproportional stark in den Förderergebnissen vertreten sind, fehlt der Tanz bis auf das im Vergleich sehr kleine Tanznacht Forum in jedem zweiten Jahr ganz. Die erschreckende Unterrepräsentation des Tanzes in dem strukturell und konzeptionell so wichtigen neuen Förderinstrument erschüttert das Vertrauen in die Kompetenz der zuständigen Jury, die die Vielfalt der Sparten in einer angemessenen Balance anteilig zu berücksichtigen und spartenoffen, unabhängig von der eigenen (künstlerischen) Verortung zu entscheiden hat. Es entsteht der bittere Eindruck, dass der Tanz stadtpolitisch in der Kulturlandschaft als nicht relevant angesehen wird: Weder das erfolgreiche Festival Alumni.Tanz.Berlin noch das internationale Festival für Zeitgenössischen Tanz und Klang SOUNDANCE erhalten Förderung. Zudem bleibt der Tanz für junges Publikum weiterhin eine Kulturlücke in der Berliner Landschaft, da auch das internationale Tanzfestival PURPLE sowie TANZKOMPLIZEN-Produktionen für junges Publikum nicht zur Förderung empfohlen wurden. Auch an dieser Stelle können im Tanz keine nachhaltigen Strukturen aufgebaut werden, wenn solche, seit mehreren Jahren erfolgreich etablierte Festivals nicht in eine 4-jährige Förderung aufgenommen werden.

Höchste Zeit die Empfehlungen des Runden Tisch Tanz umzusetzen – beginnend mit den jetzt anstehenden Haushaltsverhandlungen!
Der Unmut in der Szene ist groß. Die Ergebnisse aus einem Jahr Runder Tisch Tanz scheinen ins Leere zu laufen. Es hätte genau jetzt ein Bekenntnis für den Tanz gebraucht, um die Ernsthaftigkeit eines solchen, von der Berliner Politik finanzierten partizipativen Prozesses zu unterstreichen. Die Vorahnung kommt auf, ein weiteres Papier für die Schublade erarbeitet zu haben. Rund 6 Millionen Euro Aufwuchs wurden im Abschlussbericht des RTT für den kommenden Doppelhaushalt gefordert – ein wesentlicher Schritt für den Stufenplan Tanz 2019-2025, an dessen Ende ein Haus für Tanz und Choreografie stehen soll. Mit dem am 18.6.2019 vorgelegten Senatsentwurf für den Doppelhaushalt 2020/2021, indem lediglich 700.000 Euro zur Umsetzung von Empfehlungen des RTT vorgesehen werden, bestätigt sich diese Befürchtung. Dies kann die Berliner Tanzszene so nicht hinnehmen. Wir fordern die Politik nachdrücklich auf, die Ergebnisse des RTT im Zuge der anstehenden Haushaltsverhandlungen ernst zu nehmen! Der Runde Tisch Tanz war keine Plattform des Wünsch-Dir-Was. Der Runde Tisch Tanz hat mit großer Expertise vieler Beteiligter am Bedarf orientierte kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen als Gesamtpaket miteinander verzahnt, die der Vielfalt und gesellschaftlichen Relevanz des Tanzes gerecht werden, darunter die Empfehlungen eines Residenzförderprogramms für Berliner Künstler*innen und eines Stipendiums für Tanz und Choreografie. Wir sprechen von einer gesamten Kunstsparte, die im 21. Jahrhundert endlich als eigenständig anerkannt werden und entsprechend in der Kulturlandschaft einer Hauptstadt verankert werden muss! 6 Millionen zusätzlich und ein eigenes Haus sind nicht anmaßend, sondern angesichts von bisher ca. 3% Tanz im Kulturhaushalt (1,4% ohne das Staatsballett) das Mindeste, was die Kulturpolitik tun sollte, um der hoch innovativen Kunstform Tanz die längst überfällige Anerkennung zu zeigen.
 

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