„Nach vier vor“ von Flavio Salamanka. Tanz: Lure de Castro, Diego da Cunha, Paulo Muniz

„Nach vier vor“ von Flavio Salamanka. Tanz: Lure de Castro, Diego da Cunha, Paulo Muniz

Ohne Berührungsängste

„Mozart Moves!“ am Salzburger Landestheater

Die Ballettgala von Reginaldo Oliveira und Rolando Villazón im Rahmen der Mozartwoche 2019.

Salzburg, 02/02/2019

Wie beflügelnd: keine Berührungsängste mit der Sparte Tanz und Spaß am kreativen Genre-Mix! Dafür steht Rolando Villazón als neuer Intendant der Salzburger Mozartwoche. Und wenn das Herz des mexikanisch-französischen Tenors und Regisseurs für etwas brennt, lässt er sich – trotz dichtem Festivalprogramm – das Mitmachen nicht nehmen. In diesem Fall als Vorleser von bewegenden Briefen, die ein Schlaglicht auf die zeitgenössische Relevanz von Mozarts Werk warfen. Humorvoll zwischen die 17 einzelnen, stets sehr emotionalen Choreografien hinein inszeniert. Auch das machte die Ballettgala „Mozart Moves!“ am Abend von Mozarts 263. Geburtstag im Salzburger Landestheater zu etwas Besonderem.

Tolle Feste zu schmeißen, ist eben eine Kunst. Das altgediente Format „Gala“ aufzupeppen, eine weitere. Vor allem, wenn knapp drei Stunden lang nur auf Werke von Mozart selbst getanzt werden soll. Doch für die durchweg unterhaltsame Party zu Ehren des Musikgenies hat sich Villazón einen idealen Kooperationspartner ins Boot geholt – ohne dabei den Festivalort Salzburg zu verlassen. Lobenswert, denn provinziell ist das Tanzensemble an der Salzach längst nicht mehr. Die Partnerschaft mit dem brillant aufspielenden Mozarteumorchester zeugt davon.

Sogar dessen Chefdirigent Riccardo Minasi musste mitmachen. Salzburgs Primaballerina Márcia Jaqueline ließ sich von ihm bei ihrem Auftritt in „Serenade für Whiskey“ (Musik: „Eine kleine Nachtmusik“) – einem witzigen Damentrio über den Verlust von Balance und Seriosität von Reginaldo Oliveira –, den Flachmann voran und heftig flirtend, vom Parkett in den Orchestergraben hieven. Da menschelt es richtig beim Kein-Spaßverächter Mozart. Bestes Lachmuskeltraining zur Ouvertüre von „Le nozze di Figaro“ steuerten zudem die zanksüchtigen Prager Konfetti-Feger Ondřej Vinklát (zugleich Choreograf des Stücks „As Same As Before“) & Jakub Rašek als virtuose, besenbewaffnete Modern Dancer bei.

Saisonauftakt in Salzburg war ein beachtenswerter „Othello“ von Ballettchef Reginaldo Oliveira. Nun wurde – flankiert von renommierten GastsolistInnen aus Uruguay, Boston, Amsterdam, Prag, Zürich, Berlin, Stuttgart und Hamburg – eine reiche stilistische Bandbreite präsentiert. Heiter-Komisches und Ernstes, darunter die innige Interpretation der „Maurerischen Trauermusik“ durch Anaïs Chalendard und Kt. Flavio Salamanka in Oliveiras berührend-elegantem Pas de deux „Passage“ wechselten einander aufs Schönste ab. Zugleich mussten TänzerInnen, MusikerInnen, ChoreografInnen und TechnikerInnen permanent ihre künstlerische Flexibilität im Zusammenwirken unter Beweis stellen. Fast ausschließlich in Uraufführungen! Ganz nach Villazóns strahlend zum Auftakt propagierten Motto: „Mozart bringt die Leute zusammen.“

Für den hippsten Ausreißer sorgte das wie Quecksilber aufeinander reagierende Breakdance-Paar The Wolfer & BGirl Sina. Ihr Geschlechter-Disput „A battle for Mozart“ zur „Zauberflöten“-Ouvertüre entwickelte sich fetzig und strotze vor origineller Bewegungsenergie. Welche Gefühlsspannweite zwischen Liebe und Entfremdung, Glück, Sehnsucht und Verlust in Mozarts Instrumentalkonzerten steckt, zeigte die Serie auf höchstem Niveau getanzter Pas de deux. Altmeister Uwe Scholz („Jeunhomme Pas de deux“: Elisa Carrillo Cabrera & Mikhail Kaniskin aus Berlin) und Heinz Spoerli („moZART“: Yen Han aus Zürich & Kt. Flavio Salamanka) Seite an Seite mit Kreationen von Oliveira, Vito Mazzeo aus Amsterdam („Igone and Vito for W.A.M.“ zur Ouvertüre von „Idomeneo“) oder Andreas Heise („Accord“ zu Adagio und Fuge c-Moll für Chigusa Fujiyoshi & Iure Castro).

Mozart und seine Frau Konstanze selbst spielten lediglich in einer handfest-turbulenten Passage aus Peter Breuers Ballett „Der Gottgeliebte“ eine Rolle (voll in ihrem Element: Karine de Matos & Pedro Pires). Zum Schluss wurden beide nochmals von Kristína Borbélyova – seit 2010 im Ensemble des Hamburg Ballett – ins Rampenlicht gerückt. Ganz konkret und zugleich traumwandlerisch abstrakt. Maria Eichwald (früher beim Bayerischen Staatsballett, dann Stuttgarter Ballett) und Alexandre Riabko vom Hamburg Ballett veredelten die intensive Reminiszenz an Mozarts Lebensende zu einem unvergesslichen Höhepunkt.

Den perfekten Einstieg in die Themen-Gala choreografierte Kammertänzer Flavio Salamanka – wie auch alle drei weiteren Gruppenstücke für seine Salzburger Kollegen. Die Köpfe auf den Flügel gepresst, horchen die TänzerInnen ins Instrument hinein. Eine Welle aus Atem durchzieht ihre Formation. Noch fehlt die 19-jährige Pianistin Marie Sophie Hauzel. Zur Kette geschmiedet ziehen TänzerInnen sie aus der Kulisse ans Klavier. Ihr feiner Anschlag bringt beschwingte, später sich eckig brechende Leichtigkeit in Salamankas „M.Movers“.

An das Adagio des A-Dur-Konzerts für Klarinette und Orchester „Interludium“ wird nahtlos zum Andante des Klavierkonzerts in C-Dur übergeleitet. Mittelpunkt hier sind die Stuttgarter Miriam Kacerova & Roman Novitzky. In Oliveiras „Twentyone 2 M + R“ scheinen sie manchmal wie Eisläufer über die Bühne zu gleiten. Selten aber nur befreien sich Kacerovas Bewegungen aus der partnerschaftlichen Führung und Umklammerung. Nächstes Jahr will Villazón – unterstützt von Reginaldo Oliveira – seine Regie von sieben neu in Auftrag gegebenen Mozart-Dramoletten mit Tanz verbinden. Vorfreude ist angesagt.
 

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