Deutscher Tanzpreis 2018: Nele Hertling

Verleihung des Deutschen Tanzpreises

Große Gala im Essener Aalto Theater

Der Deutsche Tanzpreis 2018 ging in einer festlichen und abwechslungsreichen Gala an Nele Hertling. Ehrungen erhielten auch Meg Stuart und ihre Kompanie Damaged Goods sowie das Ballett des Staatstheaters Nürnberg.

Essen, 24/09/2018

Auch dieses Jahr wurde der renommierte Deutsche Tanzpreis im Rahmen einer Gala im Essener Aalto-Theater verliehen. Das ist nicht ganz so selbstverständlich wie es angesichts der langen Geschichte des Preises, der 1983 von Ulrich Roehm und dem Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik gegründet wurde, scheinen mag. Fiel die Verleihung doch letztes Jahr aufgrund interner Debatten und dem letztendlichen Rückzug des Fördervereins Tanzkunst e.V. und des Berufsverbands für Tanzpädagogik aus. Dieses Jahr übernahm nun erstmals der Dachverband Tanz Deutschland e.V. die Trägerschaft und gab dem Tanzpreis damit nicht nur ein bundesweites Gesicht, sondern setzte auch gleich eigene Impulse. Etwa mit der Öffnung gegenüber der freien Szene oder einer die Gala einrahmenden Tagung, auf der sich unter dem Motto „Die Zukunft des Tanzes“ Vertreter*innen aus allen Bereichen der deutschen Tanzszene trafen, um miteinander über neue Entwicklungen, Missstände und Zukunftsvisionen ins Gespräch zu kommen. Die neue Trägerschaft verleiht so nicht nur dem Tanzpreis an sich eine höhere Relevanz für die gesamte Tanzszene, sie erfreut sicherlich auch die Preisträger*innen, die dieses Jahr hoch dotierte Preise (Tanzpreis 20.000 Euro, Ehrungen je 5.000 Euro) erhielten.

Am 22. September 2018 war es dann endlich soweit, und die Hautevolee der deutschen Tanzszene traf sich in Essen, einer Stadt, die nicht nur von Anfang an Heimat des Preises war, sondern sich auch als eine Stadt des Tanzes versteht, von der seit dem Ende des 2. Weltkriegs wichtige Impulse ausgehen, wie Oberbürgermeister Thomas Kufen in seiner Begrüßung betonte. Ein bisschen fühle er sich ja selbst als Schirmherr des Preises, gab er mit einer Entschuldigung an den eigentlichen Schirmherrn, Prof. Dr. Norbert Lammert zu, dem von allen Seiten herzlich gedankt wurde, und wünschte in guter alter Ruhrgebiets-Tradition dem Tanz und dem Tanzpreis ‚Glück auf!‘. Auch NRWs Ministerin für Kultur und Wissenschaft Isabel Pfeiffer-Poensgen richtete herzliche Grußworte an die Anwesenden und machte die Unterstützung des Preises durch die Kulturpolitik deutlich. Dass der Tanz diese politische Unterstützung erfährt, ist nicht zuletzt ein Verdienst der diesjährigen Tanzpreis-Trägerin Nele Hertling, die sich seit Jahrzehnten für die Unterstützung, Förderung und Sichtbarkeit des zeitgenössischen Tanzes einsetzt und die nicht müde wurde und wird, für den Tanz auf politischer Ebene zu kämpfen. Sie erhielt die Ehrung mit voller Unterstützung aller Anwesenden, was nicht nur die Standing Ovations, sondern auch die Pausengespräche zeigten. Eine große Dankbarkeit war allerorten zu spüren.

Eine Dankbarkeit, die auch Reinhild Hoffmann am Ende ihrer Laudatio zur Sprache brachte: „Ich danke Dir, Nele, dass Du eine nicht müde werdende Streiterin für die flüchtigste aller Künste bist.“ Schöner hätte man es nicht auf den Punkt bringen können. Und wie richtig sie damit lag, wurde in Nele Hertlings herzlichen Dankesworten deutlich, benannte sie doch sofort die immer noch vorhandenen Missstände, unter die sie ein mangelndes Geschichtsbewusstsein zählt, dem sie mit ihren Wünschen für die Gala auch gleich aktiv entgegenwirkte. Denn mit den Ausschnitten aus Cesc Gelaberts Rekonstruktion von Gerhard Bohners „Im (Goldenen) Schnitt I – Durch den Raum, durch den Körper“, Susanne Linkes Rekonstruktion der Affekte ‚Begierde‘ und ‚Angst‘ aus Dore Hoyers „Afectos Humanos“, getanzt von Renata Graziadei und Michael Clarks „Sheroes“ spannte sie einen beeindruckenden Bogen moderner Tanzentwicklung auf. Ein Bogen, der nicht nur unterschiedliche tänzerische Entwicklungen zeigte, sondern auch auf die Wandlung im Menschenbild verwies.

Dass sich daran die Ehrung Meg Stuarts und ihrer Kompanie Damaged Goods als ‚Herausragende Interpret*innen‘ anschloss, rundete diese Reise durch den Tanz ab. Dass der zeitgenössische Tanz nicht nur in seiner Bewegungssprache, sondern auch in seiner Konzeptionalisierung wieder ganz neue Wege ging, betonte nicht nur Stefan Hilterhaus in seiner sehr schönen Laudatio, es wurde auch daran deutlich, dass Meg Stuart als Dank nicht ans Rednerpult trat, sondern ihr Solo „All Songs have been exhausted“ zeigte. In der Präsentation dieses intimen und auf kleinen Gesten beruhenden Solos auf der großen Bühne eines Stadttheaters entstand eine spannende Reibung, die irritierte und mit dieser Irritation die Qualität der Arbeit von Damaged Goods, die sich durch ihre ‚mutige Offenheit‘, ‚ihr Einlassen auf das Unbekannte‘ und ‚ihre sehr persönliche und risikoreiche Arbeit‘ wie Hilterhaus hervorhob, auszeichne. Die zum Teil aufkommende Unruhe und ablehnende Haltung des Publikums angesichts dieses Bruchs mit den Konventionen einer Gala, zeigte, ganz im Sinne der Reden von Reinhild Hoffmann und Nele Hertling, wie viel noch immer zu tun ist, um eine gleichberechtigte Wahrnehmung aller Tanzsparten und -genres tatsächlich zu verwirklichen.

Eine Ehrung ganz anderer Art erhielt das Staatstheater Nürnberg Ballett unter der Leitung von Goyo Montero. Die gesamte Kompanie wurde für ihre ‚Herausragende Entwicklung im Tanz‘ ausgezeichnet. Prof. Dr. Julia Lehner, Kulturreferentin der Stadt Nürnberg, betonte, wie sehr das Ensemble in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil des Nürnberger Kulturlebens geworden ist und bei seinen Tanzvorstellungen immer häufiger 100 Prozent Auslastung hat. Eine gekonnte Mischung aus klassischem Repertoire mit neuen Stücken und einem klaren Stadtbezug mache das Ensemble mit seinem Direktor für die Nürnberger unersetzlich. Wie viel Tanzfreude und welche Zusammengehörigkeit das Ensemble vermittelt, wurde an „Imponderable“ von Goyo Montero und einem Ausschnitt aus „Tuplet“ von Alexander Ekman deutlich.

Wie es sich für eine Gala diesen Formats gehört ,war das umrahmende Tanzprogramm durchweg von hoher Qualität. Eine schöne Geste nicht nur gegenüber der Stadt Essen, sondern auch gegenüber dem Nachwuchs der Tanzszene war die Eröffnung des Abends durch die diesjährigen Absolvent*innen des Studiengangs Tanz der Folkwang Universität der Künste, die in einem Ausschnitt aus Daniel Goldins „Stimmen, Hände, brüchige Stille“ nicht nur ihr tänzerisches Können, sondern auch die im Tanztheater verwurzelte Tradition der Ausbildungsstätte zeigten. Mit dem NRW Juniorballett stand ebenfalls der Tänzer*innennachwuchs auf der Bühne und zeigte mit Marco Goeckes „Black Swan“ eine zeitgenössische Sicht auf den klassischen Pas de deux. Einen Pas de deux in hervorragend getanzter wenn auch nicht sonderlich innovativer Neoklassik präsentierte das Stuttgarter Ballett mit Douglas Lees „Arcadia“.

Gelungen ist dem Dachverband Tanz Deutschland auf jeden Fall ein weiter Blick über die deutsche Tanzlandschaft, wenn es auch noch Lücken in Bezug auf populäre oder transkulturelle Tanzformen gibt. Aber die Richtung stimmt. Wie so oft bei Tanzaufführungen und besonders bei Galas kann auch hier die Bitte nicht fehlen, den Tänzer*innen eine bessere Musikqualität zu gönnen. Dass eine derart vielfältige und abwechslungsreiche Gala nicht mit Live-Musik aufwarten kann, ist verständlich, aber im Falle von Einspielungen aus der ‚Konserve‘ sollte doch die höchstmögliche Soundqualität gewährleistet sein.

 

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