„Motel Vibes“ von go plastic company, Tanz: Rudi Goblen, Cindy Hammer

Das Eis der Einsamkeit

Uraufführung von „Motel Vibes“ in Hellerau

Die go plastic Company zeigt in der Tanzperformance „Motel Vibes“ das Innere eines Motelzimmers als Ort der Einsamkeit.

Dresden, 24/09/2018

So ganz kommt die Dresdner Künstlerin Cindy Hammer auch in der neuesten Produktion ihres 2010 gemeinsam mit Susan Schubert gegründeten Künstlerkollektivs go plastic Company nicht ohne Inspirationen aus dem Film aus.

Auf der Seitenbühne Ost des Festspielhauses in Hellerau geht der Blick von der Galerie aus in die Tiefe. In die surreale Szenerie eines Motelzimmers der Ausstatterin Alexandra Boerner, in der die Grenzen der Realität, ebenso wie die der Wahrnehmung, sich beständig verändern, durchbrochen werden, sich neu ordnen und dennoch nichts festzulegen vermögen. Alles gerät in Schwingungen sich verändernder Stimmungen, auch was das Licht und den Sound von Nikolaus Woernle angeht, sowie die Texte des Künstlerkollektivs, in denen sich in englisch-deutscher Vermischung, „Grau und Grau ineinanderschiebt“, um sich am Horizont zu stapeln.

Man blickt in ein Zimmer des „Motel Vibes“, der lädierte Schriftzug mit den kleinen Glühbirnen erinnert natürlich an ähnliche Ortsbezeichnungen in vornehmlich amerikanischen Filmen, in denen auch bevorzugt solche Zimmer der anonymen Reisenden zu Fluchtpunkten, Verstecken, zu Orten der Liebe und des Leids, nicht selten grausamer Verbrechen werden. Die beiden Menschen, auf die man als Zuschauerin oder Zuschauer jetzt im „Motel Vibes“ in Hellerau blickt, haben keine Namen. Sie sind die Ausführenden einer Performance nach einem Konzept in der choreografischen Inszenierung von Cindy Hammer aus Dresden, die sie gemeinsam mit dem Tänzer, Autor und Musikproduzenten Rudi Goblen aus Miami voreinander und miteinander in Situationen der Flucht treibt, die dennoch zu keinem Ausweg aus dieser Gefangenschaft scheinbar nicht zu beeinflussender, atmosphärischer Schwingungen und Stimmungen führt, worauf ja auch der Name des Motels – „Vibes“ – anspielt.

Tatsachen sind perdu. Es ist der Tag, von dem man glaubt, dass er es sei. Man ist ganz nahe beieinander und vermag dann doch nur zu kommunizieren kraft technischer Verfremdung des Telefons. Und dann schieben sich die Wünsche hinein in das Grau der Anonymität des Motels. Ein Chanson, ein Evergreen von Friedrich Holländer, nicht tot zu kriegen, dieses Lied der Ungefragten, dieses Lied der Einsamen vom Wünschen: „Wenn ich mir was wünschen dürfte …“

Cindy Hammer und Rudi Goblen, mit jeweils individuellem, mitunter minimalistisch anmutendem Bewegungsrepertoire, müssen sich immer wieder selbst davon motivierend überzeugen, dass sie noch da sind; dass sie vielleicht sogar doch noch Wünsche haben könnten, dass der Radius ihrer Bewegungen doch weiter sein könnte, als es zunächst scheint und dass auch minimalste Energien übertragbar sein können. Und immer stärker, im Verlauf dieser Stunde der Einblicke in diesen nur scheinbar so fernen Ort des auch nur scheinbaren, totalen Stillstandes, in dem man zwar als Zusehender, rein physisch gesehen, über dem Geschehen steht, aber wohl kaum in der Lage sein dürfte, darauf hinab zu sehen, auf diese Endspiel-Varianten der Faszination des Nichts.

Aber immerhin, seien es die emphatischen Stimmungen der Zusehenden, die atmosphärischen Schwingungen der Performerin und des Performers, das Eis der Einsamkeit schmilzt. Und da ist er auch wieder, dieser etwas schräge Witz der Groteske, wie er Cindy Hammer auszeichnet: Ganz theatral bricht zwar eine Eiszeit an, Eiswürfel stürzen herab, das Auffangbecken wird zum „Eiswasserbett“ und bietet Platz für sie und ihn. Und wenn sie nicht erfroren sind, dann kommen sie da auch wieder heraus, aus diesem Motel Vibes.

 

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