„it moves me, it captures me, and it’s gone“ von Shumpei Nemoto

Hallo, Fremder mit meinem Gesicht!

„it moves me, it captures me, and it’s gone“ von Shumpei Nemoto in der HebelHalle Heidelberg

Der japanische Choreograf und Tänzer Shumpei Nemoto hat das Stück während seiner Residenz am Choreographischen Centrum Heidelberg erarbeitet.

Heidelberg, 25/06/2018

Bei jedem großen Konzertevent ist eine Riesenleinwand inzwischen Standard. Die weit überlebensgroßen Bilder duplizieren das Geschehen auf der Bühne und schieben sich optisch unausweichlich in den Vordergrund. Bei Shumpei Nemoto, einem tänzerischen und choreografischen Ausnahmetalent mit japanischen Wurzeln, kommen die projizierten Doppelgänger dagegen ganz beiläufig und fast unauffällig ins Spiel. Überhaupt setzt der Tänzer in seinem 45-minütigen Solo „it moves me., it captures me, and it’s gone“ alles daran, jeden Vorführeffekt zu vermeiden. Das Publikum sitzt im intimen Halbrund um die Bühne herum – zwei gerahmte, gestaffelte Projektionswände, ein bisschen Bühnenlicht von oben, Film- und Videokameras, Computer, vorgefertigte Musik: Fertig ist das Ein-Mann-Unternehmen, das gänzlich ohne fremde Hilfe bei der Bühnentechnik auskommt. Shumpei Nemoto hat alles (Kameras, Projektionen, Zeitrahmen, Musik, Licht) im Computer vorprogrammiert – und wagt sich an das tänzerische Abenteuer einer „wohlvorbereiteten Improvisation“.

Er ist ein Ausnahmetänzer (Stationen unter anderem Deutsche Oper am Rhein und Cullberg Ballett, preisgekrönt in Lausanne), aber in seiner eigenen Bewegungssprache hält er den Ball erst einmal ganz flach, mit lässigen, demonstrativ unaufwendigen Körper-Raum-Erkundungen. Es sind die kleinen Details, die den Könner verraten. Sein virtueller Doppelgänger wandelt dabei vom farblosen Quasischatten zur eigenständigen Figur, von der einfachen Projektion zur vielfachen Spiegelung – die es in sich hat. Denn das ausgeklügelte Computerprogramm erlaubt den Projektionen ein Eigenleben; die Bilder der Livekameras ermöglichen zeitliche Verzögerung in der Wiedergabe. So kann Shumpei Nemoto auf seine früheren Bewegungen direkten, tänzerischen Bezug nehmen. Der Austausch mit seinem Doppelgänger gewinnt dabei auf ganz sanfte Weise emotionale Qualität. Das intelligente Spiel mit Identität und Authentizität, mit Zeit und Raum zog bei der Uraufführung in der Heidelberger HebelHalle die Zuschauer*innen gebührend in den Bann.

Nachtrag: Diese Produktion verdankt ihre Entstehung der Tatsache, dass Nemoto sich 2017 (übrigens zum zweiten Mal) für eine Residenz am Choreografischen Centrum in Heidelberg bewerben konnte. Die Entstehung einer Arbeit von solchem Niveau bestätigt das CC-Konzept internationaler Ausschreibung und einer Jury-Auswahl. Shumpei Nemoto, der schon bei den leider eingestellten „No Ballet“-Choreografie-Wettbewerben in Ludwigshafen mehrfach zu den Preisträger*innen gehörte, wird seinen Weg machen.

 

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